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Hadschi Halef Omar im Wilden Westen

Hadschi Halef Omar im Wilden Westen

Titel: Hadschi Halef Omar im Wilden Westen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Hohenthal
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dahin, froh, mir Bewegung verschaffen zu können. Bald jedoch mußte ich mich wundern. Denn zu meinem Erstaunen blickte man mir hinterher, an jeder Ecke flogen Köpfe herum, sobald ich passierte – was war das? Geradezu ehrfurchtsvoll wurden Hüte vor mir gelüpft, Knickse angedeutet – war ich schon erkannt? Wußte man, wer hier flanierte – kannte man mich bereits als Old Shatterhand?

    Nein, das konnte nicht sein. Zuviel Sorgfalt hatte ich auf meine Erscheinung gelegt, zu gründlich alle Hinweise auf mein zweites Ich zu vermeiden gesucht. Doch es blieb dabei, man grüßte mich rücksichtsvoll, hielt aber auf Abstand, winkte wohl auch einmal schüchtern, ließ mich aber im übrigen unbehelligt.
    Über dieses seltsame Gebaren der hiesigen Einwohnerschaft gelangte ich zu meinem Ziele, das übrigens nur eine halbe Meile von der Bahn, in der Mitte der main road, des Hauptboulevards, gelegen war. Früher Mittag war es, als ich vor der makellos verkleideten Fassade eines recht hübsch geschnittenen, zweistöckigen Gebäudes stand. Auch ohne die Aufschrift »Faffle’s German Boarding House« hätte ich mich am Ziel gewußt. Nicht mehr als ein Handköfferchen an mir, trat ich durch die Pendeltür.
    In einer übergroßen Puppenstube fand ich mich wieder. Alles in dieser »Kneipe«, dieser »Bar«, diesem »Restaurant« oder wie man derlei Etablissements sonst zu nennen pflegte, sah so unschuldig und niedlich und anheimelnd aus wie in der Kulisse eines solchen Kindertheaters, nur daß zwischen solchen Erinnerungen viele tausend Meilen und ein Ozean lagen, nämlich mein altes geheimnislos gewordenes Land und dieses neue wilde, ungezähmte.
    Als erstes fiel mir ein verwaistes Klavier auf, dessen Deckel offenstand. Auf der Notenablage waren mehrere Blätter ineinandergeschoben – hatte ich es nicht eben, auf der Straße, klimpern hören?
    Nein, ich hatte mich getäuscht. Ein solches Willkommen hatte ich mir nur gewünscht, sprich eingebildet. Denn in dem vor Sauberkeit blitzenden Gastraume war es auffallend ruhig. Kein Räuspern oder Hüsteln von den Gästen drang an mich, welche zu gut zwei Dutzend an einer aus mehreren Tischen zusammengeschobenen und mit einem bunt gemusterten Tuche bedeckten Tafel saßen; eine ungewöhnlich stille Zecherschar. Wohl sah man auf mich, in der gleichen verwunderten Art, wie ich schon zuvor, auf dem Wege hierher, gemustert worden war, aber niemand sprach mich an. Seltsam.

    Stumm und höflich grüßte auch ich, indem ich nur an meinen Hut tippte, wie im Westen üblich. Ich durchquerte das Lokal der Länge nach und wählte mir einen leeren kleinen Tisch in einer Ecke. Von dort aus konnte ich bequem das Geschehen, falls sich eines entwickeln sollte, überschauen und gleichfalls bequem durchs Fenster auf die Straße sehen; eine meiner Angewohnheiten.
    Unauffällig lugte ich zu den Gästen – hatte ich es in ihnen bereits mit Washburns Männern zu tun? Nur aufstehen, ein einziges Wort sagen, mich lediglich vorstellen hätte ich müssen, doch lag in dem Raume und über diesen Menschen eine so eigenwillige Stimmung, daß ich mir dies verkniff. Reichlich erwartungsfroh erschienen sie mir, diese Leute, die mit ihren unbewegten grobschlächtigen Gesichtern und in den steifen dunklen Anzügen wie verkleidet wirkten – erwartungsfroh, sage ich, weil sie mich an Kinder in den Minuten vor der Weihnachtsbescherung erinnerten, und verkleidet, weil ich Lebenserfahrung genug besitze, um Menschen außerhalb ihrer gewohnten Umgebung gerade dann zu erkennen, wenn sie sich in ein fremdes Habit zwängen. Oft genug hatte ich dies selbst schon getan.
    Mein Blick fiel auf die Tafel: die wohlgefüllten Biergläser, sie waren unberührt, die Teller, sie leuchteten weiß und leer zur Decke, das Besteck, es wartete akkurat auf den makellos gefalteten Servietten – eine derart sonderbare Stimmung hatte ich noch in keiner Schenke angetroffen. Weiterhin schweigend, rieb sich das Mannsvolk den manierlich geschorenen Bart, faßte sich an die frisch gestutzte Frisur und was man sonst aus Verlegenheit so machte, wenn ein ungebetener Geselle in eine Runde platzte. Im übrigen wurde immerzu der Tresen fixiert, hinter dem jetzt allerdings jemand hervortrat.
    Es handelte sich um ein bravgesichtiges, schnauzbärtiges Männchen schwer schätzbaren Alters, gewiß nicht mehr jung. Das kugelrunde Männchen nahm Kurs auf meinen Tisch; munter wetzten zwei Säbelbeine auf mich zu, und zwei Apfelbäckchen strahlten
freundlich.

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