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Hände weg vom Abendschatten!

Hände weg vom Abendschatten!

Titel: Hände weg vom Abendschatten! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lene Mayer-Skumanz
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Capo. Er reiste mit vier Pferden!“ Mit einem Interesse, das nicht gespielt schien, betrachtete er Reste von etruskischen Inschriften auf einigen Tontafeln.
    „Die junge Dame sagt, die Sprache ist bis heute nicht aufge - — wie sagt man — aufgerätselt? Unsinn! Zwei, drei Sätze parallel in Etruskisch und einer zweiten, uns bekannten Sprache, ein gutes Computerprogramm, und basta! Alles geht“, knurrte er, als er die Studentin lächeln sah. „Man muss einsetzen die moderne Technik, dann alles geht!“
    Mrs. Hunter zog die Augenbrauen hoch und bedeutete ihrem Mann zu schweigen. Markus bemerkte es und blinzelte zu Mister Hunter hinauf. Der lachte nur. „Sie will nicht, dass ich mich blamiere —“
    Im Obergeschoß verstummten die Entzückensschreie von Mrs. Hunter, sie schien vor Bewunderung die Sprache verloren zu haben.
    Dafür tat sich Tante Lisa keinen Zwang an. „Oh, diese Krüge! Diese Vasen! Das sind ja wahre Schätze! Nein, dieser Schmuck! Hans, komm bitte her! Glaubst du, gibt es Nachbildungen zu kaufen?“ Besonders gut gefielen ihr goldene Ohrringe in Glöckchenform und geflochtene goldene Ketten. „Die Ringe sind zu wuchtig“, sagte sie.
    „Man hat die Ringe auf dem Daumen getragen“, sagte die Studentin.
    Markus stand vor einer Vitrine mit Waffen. Da gab es Helme und Dolche aus Bronze, Bleikugeln für die Schleuder, Lanzenspitzen.
    Mister Hunter schüttelte missbilligend den Kopf. „Wie soll die Welt friedlicher werden, wenn die Jungen sich noch immer interessieren für Waffen in erster Linie? Da, Marco, Kochgeschirr und ein Pflug. Da liegt der Fortschritt. — Ich hasse Gewalt“, fügte er hinzu, als Markus ihn verwundert ansah.
    An der Vitrine mit den Münzen ging Mister Hunter vorbei. „Alle gleich rund.“
    Im Saal Fünfundzwanzig drängten sich die Leute um eine kleine Vitrine. In ihr war eine 57 Zentimeter hohe Bronzestatue ausgestellt, eine unrealistisch in die Länge gezogene Gestalt mit einem sanften Gesicht. Es war der berühmte „Abendschatten“, die „ Ombra della sera “.
    „Das ist ja der Suppenkaspar, knapp bevor er stirbt“, murmelte Markus enttäuscht. „Was soll daran schön sein?“
    „Schau dir dieses zarte Gesicht an“, flüsterte Tante Lisa. „Die Augen verfolgen einen. Die ganze Figur hat etwas Unheimliches. Ungeheuer eindrucksvoll.“
    Markus sah dem „Abendschatten“ lang und gründlich in die Augen. „Also, mich verfolgen sie nicht“, teilte er seiner Tante mit. „Für mich ist der ,Abendschatten’ ein zu kurz geratener Spazierstock.“
    „Mamma mia “, brummte eine Stimme neben ihm. Mister Hunter war zutiefst beeindruckt. Seine Frau zupfte ihn am Ärmel. „ Andiamo , Giorgio, let’s go —“ Sie flüsterte ihm etwas zu, das Markus nicht verstand.
    Mister Hunter schüttelte ihre Hand ab und starrte weiter auf die dünne Bronzefigur.

    Heimlich beobachtete Markus Frau Lorenas Gesicht. Jede Fröhlichkeit war daraus geschwunden, in ihren Augen stand blanke Angst. Markus staunte. Dann fiel ihm Tante Lisas Geschichte vom Vortag ein. Der „Abendschatten“ sollte jedem Unglück bringen, der ihn in böser Absicht berührte. War Frau Lorena abergläubisch? Sie konnte sich beruhigen, fand Markus: Solide Glasscheiben trennten sie von dem verhungerten Bronzejungen!
    Nur zögernd löste sich Mister Hunter vom Anblick des „Abendschattens“. Als er merkte, dass Markus noch immer neben ihm stand, grinste er und sagte: „ Wenn , Ombra della sera ’ hätte gegessen dreimal täglich Spaghetti alla Napoletana , er wurde heute nicht da stehen so, so —“ Er zeichnete einen langen Strich in die Luft.
    Frau Lorena zog ihren Schal um sich, als sei ihr kalt. Schnell lief sie die Stufen ins Erdgeschoß hinunter und eilte in den sonnigen Garten hinaus. Sie lehnte sich an den Sockel einer Statue, schloss die Augen und atmete tief. Markus war ihr nachgegangen. Hier fand er auch Chiara. Sie saß auf dem Rand eines Brunnens, krümmte einen Zeigefinger und deutete: Komm!
    „Chiara, wo ist unser Maler?“
    „Längst wieder heimgefahren auf seinen Campingplatz“, antwortete sie. „Du, ich hab mich eine Stunde lang mit dem Museumswächter unterhalten. Ein lieber Opa-Typ, und sehr gesprächig. Was glaubst du, was ich jetzt alles weiß!? Er hat sich grün und blau geärgert über die ängstlichen Behörden. Auf einmal regen sich alle über die Diebstähle auf. Jahrelang, sagt er, hat sich keiner um die Sicherheitsvorkehrungen geschert, aber heute, sagt er, waren

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