Hände weg vom Abendschatten!
Malen?“, fragte Markus. „Nein“, sagte der junge Mann. „Aber zum Tierebeobachten . Ich habe heute schon einen Iltis gesehen — dort drüben. Vielleicht entdeckt ihr ihn auch, wenn ihr in dieser Richtung weiterwandert.“ Er hängte sich den Feldstecher wieder um den Hals, betrachtete sein Bild mit gerunzelter Stirn, tauchte ein Schwämmchen in einen Plastikbecher mit Wasser, drückte es sorgfältig aus und tunkte damit eine weitere Wolke aus dem Blau. Da die Farbe schon fast getrocknet war, gelang ihm dies nur mittelmäßig.
„Toll, wie Sie Wolken erzeugen“, sagte Markus. „Wir wollen Sie nicht stören. Auf Wiedersehn!“
„Viel Spaß!“, sagte der Hobbymaler freundlich.
Eilig kletterten sie zur Anhöhe hinauf.
„Weißt du, was mir bei diesem Mann komisch vorkommt?“, fragte Markus schnaufend.
„Ich weiß es, Marcello“, sagte Chiara sofort. „Dass er rotes Ackerland mit einem Ölbaumwäldchen malt — an einer Stelle, wo er eigentlich San Nicola malen müsste, mit dem Glockenturm von Santa Chiara im Hintergrund, und noch weiter hinten die blauen Berge!“
„Genau“, sagte Markus.
Chiara ließ ihre Blicke über den Hügelabhang schweifen, dann nickte sie zufrieden. „Ich hoffe, du kannst sehr leise sein und schleichen wie ein Fuchs. Ja? Dann stapfen wir jetzt mit lauter Unterhaltung ostwärts, schlagen einen Bogen, gehen über diesen Wiesenrosmarinstreifen ganz, ganz leise zu dem Maler zurück und rufen: Hei!“
„Wozu das?“
„Du wirst schon sehen!“
Die Überraschung gelang ihnen. Der junge Mann war so damit beschäftigt, mit seinem Feldstecher die Gegend zu beobachten, dass er nicht darauf achtete, was hinter seinem Rücken geschah. Vielleicht hoffte er, Füchse zu sehen. Allerdings schien er sie im Parkgelände von San Nicola zu suchen. Er bemerkte nicht, wie Chiara und Markus sich anschlichen.
„Hei!“, schrie Chiara.
Der Maler zuckte zusammen, drehte sich blitzschnell um und schimpfte: „ Porca miseria !“
„Entschuldigung“, sagte Chiara vergnügt. „Es war nur Spaß!“ Der Blonde lächelte mühsam.
Chiara packte Markus an der Hand und rannte mit ihm den Hügel hinunter. „So“, sagte sie, als sie auf der Straße angekommen waren. „Jetzt überleg einmal: Wenn du erschrickst und dich ärgerst, was sagst du dann?“
„Ich sage Sch — Schweinerei oder so etwas Ähnliches“, murmelte Markus.
Chiara lächelte. „Bene. Aber du sagst es in Deutsch, nicht wahr?“
„Natürlich.“
„Unser Hobbymaler hat auf Italienisch geschimpft. Die Mama regt sich auf, wenn ich , Porca miseria sage. Na, egal. Jedenfalls war es eine italienische Schimpferei.“
„Na und?“
„He, Marcello, begreif doch! In der Überraschung verwendet man meistens seine Muttersprache. Und der Maler hat uns erzählt, dass er nicht gut Italienisch kann —“
„Hm“, brummte Markus. „Ich bin gespannt, ob wir ihn noch einmal zu Gesicht bekommen.“
Sie sahen den jungen Blonden früher als erwartet, nämlich noch am selben Tag; sie entdeckten ihn, als sie aus dem Autobus stiegen, genau vor dem Tor des Etruskischen Museums Gu-arnacci in Yolterra .
Signora Lazini hatte den Museumsbesuch der Gäste von San Nicola gut vorbereitet: Eine Studentin erwartete die Besucher vor den großen Landkarten in der Eingangshalle, gab in Deutsch, Englisch und Französisch einen Überblick über die Geschichte der Etrusker und Römer und führte hintereinander drei Grüppchen durch die Säle.
„Geh du mit den Hunters mit“, flüsterte Chiara. „Ich bleibe hier in der Halle und lasse unseren Maler nicht aus den Augen.“
Mister Hunter hatte die beiden miteinander flüstern gesehen. Nun stupste er Markus freundschaftlich gegen die Rippen. „Sag, habe ich das gut gemacht? Bekanntschaft mit Chiara, eh? Ich war als Junge bei den Pfadfindern. Vollfuhre noch immer täglich eine gute Tat.“ Er grinste, hörte dann der Studentin zu. „Heute lerne ich über Etrusker gleich in drei Sprachen. Ich hoffe, etwas wird bleiben in meinem Kopf. Wegen Lorena, damit sie bekommt Respekt vor mir.“
Mrs. Hunter stieß vor jeder Urne kleine, spitze Entzückensschreie aus. Teils auf Englisch, teils auf Italienisch befahl sie ihrem Mann, bestimmte Figuren genauer anzuschauen. Er gehorchte gutmütig. Auf den meisten Urnen war dargestellt, wie der Tote in die Unterwelt reist, zu Pferd, zu Schiff, im Wagen.
Mister Hunter deutete auf eine besonders kostbare Urne. „Marco, sieh! Da drin waren Gebeine von einem Boss, einem
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