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Hände weg vom Abendschatten!

Hände weg vom Abendschatten!

Titel: Hände weg vom Abendschatten! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lene Mayer-Skumanz
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Fröhlichkeit berühmten Stadt am Rhein. Das „Warum“ war weniger fröhlich. „Ein typischer Fall für dich, liebe Mona“, hatte Papa gemeint und damit auf Tante Monas oft erprobte pädagogische Fähigkeiten angespielt. Sie sollte Markus drei Augustwochen lang mathematisch betreuen.
    „Wir werden es ganz vergnügt angehen“, hatte Tante Mona versichert. „Es kommen noch zwei andere Kinder zum Lernen her, wir werden uns alle blendend vertragen!“ Dackel Theodor, rundlich, gescheit und nicht mehr der Jüngste, hatte dazu freundlich zustimmend gewedelt... Markus seufzte. Theodor würde vielleicht ein gewisser Lichtblick in diesen Wochen sein. Auf die anderen beiden mathematik- oder sonst wie bedürftigen Kinder war er nicht allzu neugierig, falls auch sie typische Fälle für Tante Mona waren, was sich schon in einigen wenigen Stunden herausstellen würde...
    Am Tag zuvor hatten die Eltern Markus hier abgeliefert, bevor sie — reichlich spät und durch Tante Monas Kochkünste sichtlich aufgebaut und aufgeheitert — in ihren („wohlverdienten!“, wie Papa beim Abschied bemerkte) Urlaub im Eisass weiterbrausten. „Wenn wir unser Quartier zu einer menschlichen Zeit erreichen, rufen wir noch an und sagen euch Gute Nacht“, hatte die Mutter beim Abschied versprochen. „Sonst melden wir uns morgen früh.“
    Wenn dieser mitternächtliche Anruf von ihnen kam, warum hatten sie nicht auf das Band gesprochen?
    Hoffentlich waren sie gut angekommen! Weil der Papa ein Glas Bornheimer Sonnenlage zu viel getrunken hatte, war die Mama am Steuer gesessen.
    Markus runzelte die Stirn. Weg mit den dummen Gedanken! Die Mama war eine gute Autofahrerin. Eine sehr gute Autofahrerin. Eine durch und durch verlässliche, nervenstarke und —
    Wieder schrillte das Telefon.
    Markus sprang aus dem Bett und öffnete die Tür zum Vorzimmer. bitte nach dem Summerton“, sagte Tante Monas Tonbandstimme. Doch auch jetzt gab es nach dem Summerton keine Nachricht. Der Anrufer hatte gleich aufgelegt. Markus horchte in die stille Wohnung hinein und versuchte, sich an die Anordnung der Räume zu erinnern. Das Zimmer, in dem er schlief, lag zu ebener Erde straßenseitig und ging in den von Blumen überwucherten Vorgarten hinaus. Eine breite vergitterte Glastür führte zu einer kleinen Terrasse. Tante Mona hatte sich am Abend vergewissert, dass die Tür versperrt und verriegelt war. „Das ist bei uns so üblich. Soll ich den Vorhang zuziehen?“
    — „Nein, ich schlafe gern hell!“ Das Fenster blieb gekippt, war aber ebenfalls durch eine Sperrvorrichtung gesichert. Tante Monas Schlafzimmer lag im hinteren Anbau, der sich über eine zweite, größere Terrasse in einen Obstgarten öffnete.
    Aus diesem Teil des Hauses drang nun kein Laut mehr. Tante und Dackel schienen zu schlafen.
    Markus ging auf bloßen Füßen vor seinem Bett auf und ab. Draußen auf der Straße wanderten nächtliche Fußgänger vorbei, eine Autotür knallte, dann brummte ein Motor. Es raschelte im Vorgarten. Ein Igel, eine Katze? Theodor würde morgen ihre Spur erschnüffeln, das Gesicht in verdrießliche Falten gelegt. Der Garten war sein Revier, und ab und zu zeigte Theodor noch Reste seiner früheren Jagdlust. „Warum lässt du ihn nicht draußen schlafen, jetzt im Sommer?“, hatte Markus die Tante gefragt, als er den Dackel zur Guten Nacht gestreichelt hatte. „Ach, dieser müde Hundegreis“, hatte Tante Mona geantwortet. „Der liebt auf seine alten Tage sein weiches Körbchen neben Frauchens Bett, aus dem lockt ihn das frechste Katzentier nicht mehr…“
    Na schön, da würde vermutlich auch ein nächtlicher Telefonanruf den müden Theodor, wenn er einmal schlief, nicht mehr aus dem Körbchen locken.
    Gesetzt den Fall, es riefe aber einer an, der Hilfe brauchte, mitten in der Nacht, in einer Notlage...
    Nein, nein, die Mama hatte den Papa bestimmt nicht ans Steuer gelassen. Sie konnte sich durchsetzen, die Mama...
    Markus rubbelte mit allen zehn Fingern seine Kopfhaut, ohne dass er sich besser fühlte. In seinem Magen flatterte und grummelte es ein bisschen. Oder weiter unten, im Bauch. Er versuchte, sich Tante Monas Vorzimmer vorzustellen, die Tür zum Klo und den Lichtschalter. Er schlich hinaus, genau in dem Augenblick, als das Telefon wieder zu schrillen anfing. Mit einem Satz war er beim Hörer und hob ihn hoch, ehe der Mechanismus des Anrufbeantworters einsetzen konnte.
    „Hallo?“
    Das „Hallo“ klang heiser und rau, wie bei einer Halsentzündung,

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