Hände weg vom Abendschatten!
ist zu befürchten, dass die Menschen Kriege um seinen Besitz führen werden... Also ist jedes Gebiet glücklich zu preisen, in dem es Grundwasser-Notvorräte gibt. Wir hier auf der Bornheimer Höhe sind solche Glückspilze. Schon der alte Name Bornheim verrät es.“
„Born — das Wort kommt in Märchen vor“, brummte Markus. „Ja, Born bedeutet Brunnen, Quelle. Wir leben in einem Quellgebiet. In den Erdschichten unter uns lagern in verschiedenen Tiefen Wasservorräte. Nehmen wir zum Beispiel nur einmal das Stück Land, das an den neuen Steinbruch der Zementfirma Morthand grenzt. Los, Leute, rechnen wir: Die Fläche ist 8,15 km lang — wir nehmen die mittlere Länge — und hat 3,75 km mittlerer Breite. Wenn wir annehmen, dass darunter eine auch nur 20 m mächtige Wasserschicht liegt — ich weiß, dass es an manchen Stellen viel mehr ist, und es handelt sich um unbelastetes, gutes Trinkwasser also, wie viel Kubikmeter Wasser haben wir dort als Notvorrat?“
Markus fing zu schwitzen an. In seinem Kopf summte es. Da war doch noch etwas gewesen in der Nacht, ein böser Traum, eine drohende Stimme... ein Plumps auf der Terrasse...
„611 Millionen 250 Tausend Kubikmeter“, verkündete Michi seufzend.
„Toll“, sagte Tante Mona mit grimmiger Miene. „Gehen wir davon aus, dass wir gelernt haben, Wasser zu sparen, wie es unsere Obrigkeit von uns erwartet — nehmen wir an, dass wir braverweise nur noch 48 Kubikmeter pro Nase im Jahr verbrauchen, für wie viele Menschen reichen diese Vorräte?“
Wie durch einen Schleier sah Markus, wie schnell der Bleistift von Marie-Theres über das Papier wetzte. „Mehr als 12 Millionen Leute könnten ein Jahr lang unbesorgt pritscheln “, sagte sie. „Für unsere Stadt wäre so gesehen 60 Jahre lang genügend Wasser da. Falls aber unsere Morthand -Firma ihren Steinbruch um dieses Gebiet erweitern darf, fließen diese Wassermengen ungenützt in den Rhein...“ Sie sah Michi an. Im selben Augenblick setzte sich Theodor auf und schnaufte verdrießlich.
Michis Gesicht war rot angelaufen. „Warum glotzt du mich so an?“, schrie er plötzlich. „Mein Vater ist nicht Direktor bei Morthand. Er ist Arbeiter im Zementwerk!“
Tante Mona hob unwillig die Hand, Theodor winselte, Ma- rie -Theres sagte schnell: „Dein Vater kann nichts dafür, dass die Firma unseren Bornheimer Höhenzug in ein tiefes Loch verwandeln will... Entschuldige, Michi. Mach dir keinen Stress draus. Es war nicht persönlich gemeint.“
Theodor ließ sich wieder auf die Turnschuhe sinken und schloss die Augen.
„Würdet ihr mich aufklären?“, bat Markus.
„Gern“, sagte Marie-Theres. „Das Ganze ist ein typischer Fall für Tante Mona. Sie berät als ehemalige Hydrogeologin eine Bürgerinitiative mit dem Namen: Verein für die Erhaltung der Bornheimer Höhe. Wenn du durch unseren Stadtteil radelst, siehst du überall Plakate. ,Rettet die Bornheimer Höhe!’, ,Keine Eingriffe in das Ökosystem!’ und so weiter. Von der Firma Morthand gibt es auch Plakate. Zum Beispiel: ,300 Arbeitsplätze in Gefahr!’ Denn die Firma droht: Wenn sie den Steinbruch für den Kalkabbau nicht erweitern darf, muss sie zusperren.“
Markus sah von einem zum andern. „Ich brauche ein bisschen frische Luft“, murmelte er.
„Renn schnell ums Haus“, schlug Tante Mona vor.
Theodor rappelte sich auf, setzte sich vor die Terrassentür und blickte Markus erwartungsvoll an.
„Ich und Theodor rennen mit“, sagte Marie-Theres.
Sie liefen über die hintere Terrasse in den Garten hinaus, umrundeten das Haus und kamen in den Vorgarten. Die Rosensträucher standen in der hellen Sonne. Theodor knurrte. Marie-Theres wies mit dem Finger auf die abgeknickten Zweige. „Eine Schande, was? Die Attentäter sind über den Zaun geklettert, sag ich dir. So einen langen Arm hat keiner, dass er von der Straße aus bis hierher reicht. Tante Mona will nie wahrhaben, dass die Morthand -Leute gehässig sind und sie schikanieren und einschüchtern wollen.“
Markus packte Marie-Theres an der Hand. „Da muss was in der Nacht auf die Terrasse gefallen sein. Ich hab es plumpsen gehört. Hilf mir suchen!“
Theodors Ohren glichen in diesem Augenblick zwei exakten Dreiecken, was ihm das Aussehen eines Bilderbuch-Dackels verlieh.
„Aha, willst du auch suchen?“, fragte Markus.
Theodor bewegte seinen Schwanz kurz hin und her, steckte die Nase ins Gras und lief auf die Terrasse zu. Nahe der Hauswand, hinter einer Gießkanne, stöberte er
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