Hände weg vom Abendschatten!
gedeckten Frühstückstisch, ihnen gegenüber ein kräftiger Junge mit karottenfarbener Igelfrisur und ein paar Sommersprossen im blassen Gesicht. Theodor lag quer über seinen Turnschuhen und gähnte friedlich. Markus schätzte den Jungen auf zwölf oder dreizehn. „Hallo, Michi“, sagte er und setzte sich neben ihn.
„Guten Morgen, Markus“, sagte Tante Mona freundlich. „Zuerst spiel ich dir eine nächtliche Botschaft deiner Eltern vor, warte!“
Sie sprang auf, sehr flink trotz ihrer Körperfülle, und schien wie eine rot glänzende Kugel ins Vorzimmer zu rollen. Markus sah ihr nach. Seine Wiener Oma war auch nicht schlanker, sie bevorzugte deshalb lange, dunkle, längs gestreifte Jacken. Tante Mona hingegen trug unbekümmert, was offensichtlich ihrer Seele wohl tat: zum Beispiel diese Knitterbluse in leuchtendem Kirschrot.
Aus dem Vorzimmer drang überlaut die fröhliche Stimme seines Vaters vom Anrufbeantworter. Markus nickte und tat, als höre er die Botschaft zum ersten Mal. „Gut angekommen, na also... Danke, Tante Mona.“ Er sah Marie-Theres an und fragte besorgt: „Sind wir eigentlich verwandt, dass du auch Tante Mona sagst?“
Ihre Lippen zuckten. „Nein, nein, mach dir keinen Stress deswegen, meine Großmutter und deine Tante sind Freundinnen, und so sage ich seit Windelhosenzeiten Tante Mona. Sie ist meine Wahlgroßtante.“
„Aha.“ Er sah zu, wie Tante Mona Tee einschenkte. Mitten auf dem Tisch stand eine große flache Schale voll Wasser. Rosenblüten schwammen darin. Er streckte die Hand aus und berührte vorsichtig eines der zarten Blütenblätter. „Schön sieht das aus“, murmelte er.
„Noch schöner wären sie auf den Sträuchern drauf 1 , brummte Michi in tiefstem Bass, und diesmal entschlüpfte ihm kein einziger Gickser .
Markus sah, wie Marie-Theres Tante Mona zublinzelte. „Aber da sie nun leider nicht mehr drauf sind...“
Tante Mona runzelte die Stirn, schob die Unterlippe vor und sah auf einmal ihrem Dackel überraschend ähnlich. „Weißt du, Markus, ich selber schneide fast nie Rosen ab. Aber wenn ich die Blüten frühmorgens abgeknickt finde und manchmal sogar im Gras verstreut...“
„Markus, es ist nämlich so-“, sagte Marie-Theres. „Irgendein nächtlicher Schweinehund hat schon wieder einen Anschlag auf Tante Monas Rosensträucher verübt.“
„Es war Lärm auf der Straße“, sagte Markus in plötzlicher Erinnerung an die vergangene Nacht. „Und Katzengeschrei im Garten...“
„Och, lasst doch“, sagte Tante Mona. „Da hat irgendeiner zu tief ins Glas geschaut, wackelt an meinem Zaun vorüber und knickt aus purer Dummheit die Blüten, die er erreichen kann. Vergessen wir’s! Leute, wir haben uns versammelt, um Mathe zu üben! Man kann auch Kuchen kauend rechnen Sie schob ihnen Papier und Stifte zu. „So. Die erste Aufgabe des heutigen Vormittages lautet: Ein Bürger unserer Stadt verbraucht pro Tag 150 Liter Wasser. Wie viel Kubikmeter verbraucht er im Jahr?“
„Hä?“, fragte Markus. „Was macht er mit so viel Wasser?“
„Trinken, kochen, baden, Geschirr abwaschen, Klo spülen, Blumen gießen, Auto waschen“, sagte Marie-Theres. „150 Liter pro Tag sind ein Durchschnittswert. Der eine braucht zwei Vollbäder am Tag, dem anderen genügt eine Dusche wöchentlich. Hast du zum Beispiel geduscht, jetzt eben?“
„Ah — nein.“
„Und du, Michi? Hast du heute früh geduscht?“
„Erst Fahrrad geputzt, dann geduscht, ja.“
„Siehst du, Markus“, sagte Marie-Theres. „So entstehen Durchschnittswerte.“
„Aha.“ Markus multiplizierte 150 l mit 365 Tagen. Wie rechnete man nun, verflucht und dreifach beschissen, diese ungeheuren Litermengen in Kubikmeter um? Er schielte auf Michis Blatt. Wie viele Kommastellen tat der weg?
Marie-Theres war am schnellsten. Augenrollend verkündete sie: „54,75 Kubikmeter im Jahr.“
„Unsere Stadt hat 199.692 Bürger“, sagte Tante Mona. „Wie viel Wasser im Jahr verbrauchen die?“
„Kann man nicht 200.000 Bürger nehmen?“, fragte Michi. „Nein, ich will es genau wissen.“
Wieder rechneten sie.
„Tja, Markus“, sagte Tante Mona, „unsere Stadtverwaltung hat uns pritschelnde Bürgerinnen und Bürger bereits ermahnt, Wasser zu sparen. Wir sollen an unsere Nachkommen denken. Die wollen auch noch reines Wasser haben. Sogar in den Schulen war es ein Thema für alle Kinder: Wie spare ich Wasser? Im dritten Jahrtausend wird Wasser einer der kostbarsten Schätze der Erde sein, und es
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