Hände weg vom Abendschatten!
vergessen...“ Tante Mona glich in diesem Augenblick tiefster Verdrießlichkeit wieder sehr ihrem Dackel. „Vergessen oder wissentlich beiseite schieben? Das ist die Frage. Manchmal denke ich, ein kleiner Nachhilfekurs für unsere Politiker wäre hilfreich. Nachhilfe im Lesen. Teil eins: Wir lesen Gutachten. Teil zwei: Wir lesen Leserbriefe besorgter Bürgerinnen und Bürger. Schon vor elf Jahren übrigens haben Geologen vor der Erweiterung des Steinbruchs gewarnt, wegen der Gefährdung der Trinkwasser-vorräte...“ Nun knurrte sie tatsächlich wie Theodor, wenn er gekränkt war, und Markus sah, wie Marie-Theres ein Schmunzeln nicht ganz unterdrücken konnte.
Er fragte: „Tante Mona, was haben die Politiker davon, wenn sie für das Zementwerk ein Landschafts-Schutzgebiet freigeben und dann später vielleicht Krach mit den Stadtbewohnern kriegen, wegen der Wasservorräte?“
„Eine kluge Frage“, brummte Tante Mona. „Was haben sie davon?“
„Sie denken nicht an später“, vermutete Michi.
„Sie haben Freunde in der Werksleitung. Mit denen wollen sie sich’s nicht verderben...“, sagte Marie-Theres mit funkelnden Augen. „Mein Papa hat gestern Abend bei einer Ausstellungseröffnung den Werksleiter und die Umweltreferentin beim Sekttrinken beobachtet.“
„Miteinander Sekt trinken beweist nichts“, murmelte Tante Mona.
„Aber, Tante Mona, sie hat ,Du , Luki’ zu ihm gesagt...“
„Absolut kein Beweis für irgendwelche Machenschaften!“
„Und was wäre ein brauchbarer Beweis?“, fragte Michi. „Irgendwas Handfestes, das zum Beispiel beweist, dass die Werksleitung die Bevölkerung betrügt und schon längst heimlich ohne offizielle Genehmigung in einer Erholungszone der Stadt weiter abbaut“, antwortete Tante Mona. „Aber so ein Beweis ist schwer zu kriegen, der Steinbruch ist nicht nur durch einen Zaun gesichert, sondern auch durch einen Sichtschutzwall, durch eine Flutlichtanlage und durch Kameras. In der Nacht bewachen Wächter mit Rottweilerhunden das Gelände.“
„Wozu die Geheimnistuerei, wenn alles mit rechten Dingen zugeht?“, fragte Markus.
Tante Mona schnitt für Markus ein extra großes Stück Kuchen ab. „Da! Ich liebe kluge Kinder! Du bist auf der richtigen Spur. Wovor hat die Werkleitung Angst? Die Bürgerinitiative hat Einspruch gegen die Erweiterung erhoben, deshalb fordert die Stadtverwaltung nun neue Gutachten vom Werk. Ein Bohrunternehmen wurde mit Probebohrungen auf der Bornheimer Höhe beauftragt. Und nun, Markus, sperr die Ohren auf. Die Arbeiter dieses Unternehmens haben Redeverbot. Ich hätte mir so gern einen dieser Bohrkerne angesehen, die sie da rausholen. Unmöglich. Streng verboten. Die Bohrkerne werden sofort verpackt und abtransportiert. Wozu das blöde Versteckspiel? Das bedeutet doch nur, dass die Firma Morthand genau weiß, wie schädlich die geplanten Eingriffe für die Natur sind!“
„Wozu ist ein Bohrkern gut?“, fragte Markus.
Noch bevor Tante Mona den Mund auftun konnte, antwortete Michi: „Ein Bohrkern zeigt, wie dick die einzelnen Schichten im Boden sind. Die Frau Veith, ich meine, deine Tante, die zeichnet für die Bürgerinitiative Karten und Profile. Es ist, als würdest du eine Torte durchschneiden und sehen: So viel Creme, so viel Schokomasse, so viel Biskuit, und so und so viele Rosinen. Wenn man einen Schnitt durch die Bornheimer Höhe zeichnet, muss man vorher wissen: So viel Löss, so viel Mergel, so viel Kalk. Über dem undurchlässigen Mergel staut sich das Wasser. Deine Tante vermutet, dass die Firma Morthand bis 30 Meter unter das Grundwasser graben will.“
„Hast du vielleicht Spione, die dir verraten, was diese Firma plant?“, fragte Markus plötzlich.
„Och, Spione...“, sagte Tante Mona und gähnte ungeniert. „Dort und da erfährt man was, wenn man die Ohren spitzt wie ich. Ganz sicher aber weiß ich, dass die Morthand so was wie Spione ausschickt. Zwei davon sitzen sogar in der Bürgerinitiative. Wühlmäuslein nenne ich die. Der eine ist Baumeister, der andere Journalist, Morthand bezahlt sie und erfährt durch sie, was die Bürgerinitiative treibt. Welche Gutachter sie beschäftigt, wer sie juristisch berät und so. Gegen diese Leute versucht die Firma dann Druck auszuüben — wenn sie kann.“
„Gegen dich zum Beispiel“, sagte Markus mit einem unbehaglichen Gefühl.
Marie-Theres nickte grimmig, wobei sie sich die Schläfen in kleinen Kreisen massierte. „Widerlicher Stress, den sie dir machen, diese
Weitere Kostenlose Bücher