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Hänschen klein - Winkelmann, A: Hänschen klein

Titel: Hänschen klein - Winkelmann, A: Hänschen klein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Winkelmann
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– oder lag es schon länger zurück? – hielt eine merkwürdige Schwäche sie von ihren gewohnten Tätigkeiten ab. Draußen wucherte das Kraut, die Rosen mussten geschnitten und gedüngt
werden, die Ziege versorgt … es gab so viel zu tun, aber sie fand nicht die Kraft, aus dem Rollstuhl aufzustehen.
    Trotz allem habe ich riesiges Glück gehabt. Das darf ich nicht vergessen. Wenn Else nicht an genau dem Tag vorbeigekommen wäre, würde ich heute noch hinter dem Haus im Garten liegen, vielleicht wäre ich sogar längst tot.
    Was gab es doch für Zufälle im Leben! Zehn Jahre war es nun schon her, seitdem Konrad an Leberkrebs verstorben war, zehn Jahre allein in dem kleinen Haus am Ende der Straße. Allein und einsam. In den letzten Jahren hatte sich viel geändert. Die Alten waren verstorben oder ins Altenheim gesteckt, die Häuser an junge Familien verkauft worden. Von denen kannte sie niemanden, und die interessierten sich sowieso nur für sich selbst. Nein, seit Konrads Tod war es wahrlich nicht einfacher geworden. Und darum war es ja nahezu unglaublich, wie das Schicksal sich just zum richtigen Zeitpunkt gewendet hatte. Da hatte über Nacht eine Wurzel eine der alten Waschbetonplatten auf dem Gartenweg hinterm Haus angehoben, sie stolperte über die blöde Kante, stürzte schlimm und konnte wegen der Schmerzen in der Hüfte und im Rücken nicht aufstehen. Und noch bevor sie weitab der anderen Häuser vergeblich um Hilfe schreien konnte, stand plötzlich Else da. Wie ein Fels in der Brandung.
    Mechthild hatte vieles von dem, was Else ihr erzählt hatte, nicht verstanden, aber das spielte ja keine Rolle. Else war mit ihrem Mann, einem Arzt, vor vielen Jahren in die Schweiz ausgewandert. Ihr Mann war unlängst viel zu jung verstorben, und Else war in die alte Heimat zurückgekehrt, um ihren Cousin zu besuchen, der unten im Ort lebte. Und dieser Cousin hatte ihr wohl erzählt, dass Mechthild darüber
nachdachte, ihr Haus zu verkaufen. Sie war vorbeigekommen, um sich zu erkundigen, und nun blieb sie und wohnte sozusagen zur Probe, bis es Mechthild wieder besser ging.
    Woher wusste der Cousin nur davon? Tatsächlich dachte Mechthild seit ein paar Monaten darüber nach, aber hatte sie das jemandem erzählt? Dem Postboten vielleicht? Sie wusste es nicht mehr. Überhaupt vergaß sie in der letzten Zeit so viel. Ob das an den Medikamenten lag? Medikamente hatten Nebenwirkungen, das wusste jeder. Aber Else sagte, die Spritzen seien notwendig, damit sich der angeschwollene Knöchel nicht entzündete und die Prellung in der Hüfte zurückging. In ihrem Alter musste man mit solchen Verletzungen vorsichtig sein.
    Else war ja eine so liebe Frau! Darum machte es Mechthild auch gar nichts aus, sie bei sich wohnen zu lassen. Die Alternative wäre schließlich das Krankenhaus, und für eine Frau wie sie, die die Quacksalber in weißen Kitteln, die ihren Mann trotz Studium und arroganten Auftretens nicht hatten retten können, nicht ausstehen konnte, war das ein entsetzlicher Gedanke.
    Sie konnte sich wirklich glücklich schätzen!
    Die schweren Schritte auf der Treppe rissen Mechthild aus ihren Gedanken. Else kam mit der Spritze, alle drei Stunden kam sie damit. Vielleicht sollten sie mal eine Pause machen? Sie war ja so vergesslich geworden, und ständig schweiften ihre Gedanken ab.
    Die Tür zum Schlafzimmer wurde geöffnet. Elses riesiger Körper füllte den Rahmen aus.
    »Na, Frau Kreiling, schauen Sie ein bisschen aus dem Fenster? Es ist ein wunderbarer Tag heute, nicht wahr?«
    »Ja, ein wunderbarer Tag, und ich würde so furchtbar
gern hinaus in den Garten gehen. Das Unkraut wuchert schon zwischen den Rosenstöcken.«
    »Vielleicht morgen, Frau Kreiling. Ihr Knöchel ist noch immer nicht in Ordnung, der Sturz war wirklich schlimm. Wir wollen doch keine Komplikationen, nicht wahr?«
    Während der letzten Worte hob sie eine Spritze gegen das einfallende Licht und spritzte ein wenig von dem Medikament in die Luft. Feuchtigkeit traf Mechthild Kreilings Wange, ihre Lider zuckten.
    »So, dann halten Sie schön still, damit es nicht wehtut.«
    Mechthild spürte die Nadel kaum, dafür aber die Flüssigkeit, die in ihre Blutbahn gedrückt wurde. Sie meinte sogar, sie auf ihrem Weg zum Herzen verfolgen zu können, meinte zu spüren, wie sie sich von dort aus in ihrem Kopf breitmachte und sich wie ein Schleier um ihre Gedanken legte. Ihre Lider begannen zu flattern, sie fühlte sich müde, nur noch müde …
    »Wie geht es Fiodora

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