Hafen der Träume: Roman (German Edition)
auf den Inner Harbor, das aufgeputzte Zentrum von Baltimore, und in seinem Kleiderschrank hing eine seinem Status angemessene Garderobe.
Anscheinend schloss sich nun der Kreis. Er verbrachte seine Wochenenden wieder in dem grün gestrichenen, praktisch eingerichteten Zimmer, dessen Fenster auf die Bäume und das Sumpfland hinausgingen.
Doch dieses Mal handelte es um Seth. Jetzt war Seth der Sinn.
KAPITEL 2
Phillip stand auf dem Vordeck der Neptune’s Lady . Das Schiff war fertig. Es musste nur noch getauft werden. Von der ersten Konstruktionszeichnung bis zur endgültigen Form hatte er mit eigenen Händen an die zweitausend Stunden schweißtreibender Arbeit geleistet. Jetzt waren die Decks aus Teakholz auf Hochglanz poliert, und das ganze Schiff blitzte in der gelben Septembersonne.
Phillips Gedanken wanderten weiter, unter Deck, in die Kabine – beste Zimmermannsarbeit, hauptsächlich Cams Werk und sein ganzer Stolz. Die Einbauten waren aus echtem Holz, auch sie auf Hochglanz poliert. Alles Handarbeit, individuell nach Kundenwunsch ausgeführt, mit aufklappbaren Kojen für vier Personen.
Das Schiff war solide, dachte er, und eine Schönheit. Ästhetisch ansprechend mit seinem Rumpf wie aus einem Guss, den glänzenden Decks und der langen Kiellinie. Ethans frühzeitige Entscheidung, das Spantgerüst aus im Dampf gebogenem Holz zusammenzusetzen, hatte ihnen viel zusätzliche Arbeit beschert, aber das Ergebnis konnte sich sehen lassen. Das Schiff war ein Juwel.
Der medizinische Fußspezialist aus Washington D.C. würde für jeden Zentimeter einen happigen Preis zu zahlen haben.
»Und …?« fragte Ethan, die Hände in den Taschen seiner verwaschenen Jeans und genüsslich in die Sonne blinzelnd.
Phillip fuhr mit der Hand über die satinglatte Oberfläche des Dollbords. Es hatte ihn viele Stunden Schweiß gekostet, die Planken an diesem Teil des Schiffes mit
Sandpapier zu bearbeiten und auf Hochglanz zu bringen. »Das Schiff verdient einen weniger abgedroschenen Namen.«
»Der Eigner hat eben mehr Geld als Fantasie.« Ethans Lippen kräuselten sich zu einem verhaltenen Lächeln. »Aber das Schiff liegt gut im Wind. Lieber Himmel, Phil. Das lässt sich wirklich segeln. Als ich mit Cam die erste Probefahrt machte, war ich nicht sicher, ob er es wieder zurückbringen würde. Und ob ich das überhaupt wollte.«
Phillip fuhr sich mit dem Daumen über das Kinn. »Ich habe einen Freund in Baltimore, der ist Maler. Die meisten seiner Werke sind Auftragsarbeiten für Hotels und Restaurants, mit denen er sein Geld verdient. Aber er malt auch nebenher, unglaublich gute Sachen. Jedes Mal, wenn er eines dieser Bilder verkauft hat, leidet er fürchterlich. Es macht ihn krank, sich von seinem Werk zu trennen. Bis jetzt habe ich ihn nie richtig verstanden.«
»Dabei ist es unser erstes Boot.«
»Aber nicht unser letztes.« Phillip hatte nicht erwartet, dass er sich dem Bootsbau so verbunden fühlen würde. Die Gründung der Werft war nicht seine Idee gewesen und schon gar keine Entscheidung, an der er sich beteiligt hatte. Er hatte immer wieder behauptet, seine Brüder hätten ihn gezwungen, bei dieser Sache mitzumachen, und das ganze Unternehmen sei unvernünftig, albern und vorn vornherein zum Scheitern verurteilt.
Dann war er natürlich doch eingestiegen, hatte den Mietvertrag für die Halle ausgehandelt, sich um die Lizenzen gekümmert und das notwendige Material und alle Werkzeuge bestellt, die sie brauchten. Für die zukünftige Neptune’s Lady , ihr erstes Schiff, hatte er sich manchen Splitter in den Finger getrieben, das heiße Kreosot hatte ihm schmerzhafte Brandwunden verursacht,
und wenn er stundenlang schwere Holzbalken geschleppt hatte, konnte er sich anschließend vor Muskelkater kaum noch rühren. Zur Entschädigung sorgte er dafür, dass seine Leiden nicht unbemerkt blieben.
Als das Ergebnis der monatelangen Arbeit jetzt sanft unter seinen Füßen schaukelte, spürbar und sichtbar, musste Phillip zugeben, dass sich die Mühe gelohnt hatte.
Und nun begann alles wieder von vorn.
»Du und Cam, ihr seid in der letzten Woche mit dem neuen Projekt vorangekommen.«
»Bis Ende Oktober muss der Schiffskörper so weit fertig sein, dass wir ihn umdrehen können.« Ethan zog ein großes buntes Taschentuch heraus und wischte Phillips Fingerabdrücke gewissenhaft vom Dollbord. »Wenn wir den mörderischen Zeitplan einhalten sollen, den du für uns aufgestellt hast. Aber hier bleibt auch noch etwas zu
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