Hafen der Träume: Roman (German Edition)
den, der er ist. Ich weiß, dass du dich um ihn kümmerst. Du tust dein Bestes für ihn. Jetzt fehlt nur noch der letzte Schritt. Nimm ihn an. Er braucht dich. Er braucht euch alle.«
»Seth wird nichts geschehen«, sagte Phillip grimmig. »Dafür sorgen wir.«
»Er wird euer Leben ändern, wenn ihr es zulasst.«
Phillip lachte auf. »Das hat er bereits, glaub mir.«
»Durch ihn werdet ihr in gewisser Weise ein besseres Leben haben. Verschließ dich dieser Möglichkeit nicht. Und sei nicht allzu beunruhigt über meinen kleinen Besuch.« Ray tätschelte kameradschaftlich Phillips Knie. »Sprich mit deinen Brüdern.«
»Klar. Ich werde ihnen erzählen, ich hätte mitten in der Nacht draußen gesessen und geredet mit …« Phillip drehte den Kopf zurück, aber über den Bäumen schien nur der Mond.
»… niemandem«, beendete er den Satz. Müde und traurig legte er sich ins Gras und starrte den Mond an. »O Gott, ich brauche Urlaub.«
KAPITEL 4
Es wäre nicht gut, zu viel Interesse zu bekunden, ermahnte sich Sybill. Oder zu früh zu kommen. Alles musste ganz beiläufig aussehen. Am besten verhielt sie sich entspannt und ruhig.
Sie beschloss, das Auto stehen zu lassen und den Weg am Wasser entlang zu gehen, wenn sie die Werft besuchte. Das wirkte weniger absichtsvoll. Um den Eindruck von Spontaneität noch zu verstärken, könnte sie vorher ein paar Einkäufe erledigen und dann losschlendern. Rein zufällig führte ihr Spaziergang auch an der Werft vorbei.
Um ihre Nerven zu beruhigen, erkundete Sybill die Hafengegend. Das Wetter war frühherbstlich schön, und an diesem Samstagmorgen waren viele Touristen unterwegs. Wie Sybill schlenderten sie umher, reckten neugierig die Hälse, betraten die kleinen Läden und blieben immer wieder stehen, um die Segeljollen und Motorboote in der Bucht zu betrachten. Niemand schien es besonders eilig zu haben oder ein bestimmtes Ziel anzusteuern.
Bereits diese Beobachtung bildete einen interessanten Kontrast zur Großstadt, wo an einem gewöhnlichen Samstagmorgen sogar die Touristen, wie von der allgemeinen Hektik angesteckt, eilig von einem Ort zum anderen strebten.
Es würde sich lohnen, dieses Verhalten in ihrem Buch zu analysieren und vielleicht eine Theorie aufzustellen. Sybills Interesse regte sich tatsächlich. Sie zog ihr Diktiergerät aus der Tasche und begann, einige Beobachtungen auf Band zu sprechen.
»Die angereisten Familien wirken entspannt und lässig.
Hektisches Herumhetzen, um einen kurzen Ferientag mit möglichst viel Unterhaltung auszufüllen, lässt sich nicht feststellen. Die Ortsansässigen sind freundlich und geduldig. Hier lebt man in einem anderen Tempo, das von der Bucht und ihren Menschen bestimmt wird.«
Das Geschäft in den kleinen Läden lief eher bescheiden, dafür hatten die Besitzer nicht diesen misstrauisch berechnenden Blick wie Verkäufer an Orten, an denen sich die Massen drängten und jeder ängstlich seine Brieftasche bewachte.
Sybill kaufte ein paar Postkarten für Freunde und Kollegen in New York. Mehr aus Gewohnheit und weniger, weil sie es brauchte, erstand sie außerdem ein Buch über die Geschichte der Region. Es würde sicher ein paar interessante Informationen liefern. Als Nächstes blieb sie bei einer Zinnfigur stehen, eine Fee, von deren schlanken Fingern ein tränenförmiger Kristall tropfte. Aber sie widerstand. Kitsch von dieser Sorte konnte sie auch in New York kaufen, wenn ihr danach zumute war.
Crawford’s schien ein viel besuchter Laden zu sein. Sybill schlenderte hinein und genehmigte sich eine Eiswaffel. Auf diese Weise waren ihre Hände beschäftigt, während sie die kurze Strecke zu Boats by Quinn zurücklegte.
Sie kannte den psychologischen Wert dieser Taktik. Jeder Mensch gebrauchte sie in bestimmten Situationen. Ein Glas auf einer Cocktailparty, das Taschenbuch in der U-Bahn – und Schmuck. Sie ertappte sich dabei, wie sie nervös mit ihrer Halskette spielte.
Sie ließ die Kette los und konzentrierte sich auf ihr Himbeerfruchteis.
Nach kurzem Fußweg lag der Ortskern hinter ihr. Die befestigten Uferanlagen von St. Christopher waren kaum zwei Kilometer lang, schätzte Sybill.
Rechts von der Bucht erstreckten sich jetzt Wohngebiete. Schmale Straßen mit sauberen Häusern und winzigen Rasenflächen. Die Zäune waren niedrig, ausreichend als Grundstücksgrenze und genau richtig für einen nachbarlichen Plausch, dachte sie. Überall standen riesige dicht belaubte Bäume, deren Blätter noch das satte
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