Halb verliebt ist voll daneben - Roman
Terminkalender? «, quiekste ich mit meiner Babystimme, hob es auf und erstarrte.
»Was zum Teufel soll das?«, flüsterte ich, definitiv nicht mehr in Babysprache.
»Bloß ein Foto«, sagte er achselzuckend.
Noch jetzt ist es mir unbegreiflich, wie er das sagen konnte.
»Bloß ein Foto!«, wiederholte ich.
Das Foto in Simons Filofax war keins von mir. Es war auch nicht von seiner Mum. Es war auch kein Foto von
Kylie aus ihrem Can’t-Get-You-out-of-My-Head -Video. Es war das Foto einer jungen Frau namens Ruth. Und sie war in Unterwäsche und nahm eine eindeutige Yogahaltung ein.
Simon mag zwar behaupten, er habe geduldig gewartet, bis mir die Augen dafür geöffnet wurden, dass die Liebe meines Lebens im Nachbarzimmer schlief. Dabei vergaß er aber zu erwähnen, dass er sich die Zeit hauptsächlich mit atemberaubendem Sex vertrieb, und zwar mit einer sehr gelenkigen Schönheit namens Ruth. Und sie war nicht einfach irgendeine Frau. Sie war eine Frau ohne sichtbare Cellulitis, die ihre Zehen berühren konnte. Und es war nicht einfach irgendein altmodischer atemberaubender Sex, es war Sex, bei dem ich Ohrenzeugin war, weil wir eine gemeinsame Wohnung hatten und die Wände dünn waren. Sie waren ein Jahr zusammen gewesen und hatten sich erst ein oder zwei Monate bevor Simon und ich zusammenkamen getrennt. Bis zu diesem Moment hatte ich kaum an sie gedacht. Aber es sollte mir unmöglich werden, sie wieder zu vergessen.
Die Entdeckung dieses Fotos nahm mich arg mit. Einfach ausgedrückt, ich drehte deswegen fast durch. Also gut, nicht nur fast, völlig. Wenn ich den Zeitpunkt benennen müsste, an dem ich mich in den Albtraum einer durchgeknallten Frau zu verwandeln begann, dann war es wohl dieser. Nicht dass es gleich geschah. Es war keine Verwandlung wie bei Superman. Es war eine langsame Metamorphose.
Aber was sollte ich sagen, als ich es entdeckte? Ach wie reizend, Schatz, du hast das Foto deiner halb nackten Exfreundin in deinem Filofax. Hübsches Höschen! Sollen
wir es nicht rahmen und im Wohnzimmer aufhängen?
Aber ich sagte gar nichts.
»Was ist denn los, Sare?«, fragte er. »Es ist ein hübsches Foto. Du bist doch nicht eifersüchtig, oder?«
Ich schüttelte meinen Kopf, und zum Glück nickte die kräftig geschminkte Frau vom Schalter mir in dem Moment zu.
10
Bevor das Flugzeug abhob, war ich verständlicherweise ziemlich durcheinander. Mal abgesehen von dem schrecklichen Foto, das ich gerade entdeckt hatte, und dem peinlichen Zwischenfall bei der Gepäckdurchleuchtung, während der eine Dame meine Canesten Creme und die Packung Immodium hochhielt und mich bat, beides in je eine durchsichtige Plastiktüte zu packen, hatte ich noch ein weiteres Problem entdeckt, das mit dem Fliegen nach L.A. zum Filmen verbunden war: das Fliegen.
Bin ich eigentlich die einzige Person, der aufgefallen ist, dass da was nicht stimmen kann? Ein Flugzeug wiegt fast neunhunderttausend Pfund. (Warum muss ich mir diese Fakten auch über Wikipedia beschaffen?) Neunhunderttausend Pfund, das ist ganz schön schwer. Meiner Erfahrung nach bleiben schwere Dinge nicht in der Luft. Sie haben die Neigung, mit großer Geschwindigkeit nach unten zu plumpsen, bevor sie dumpf aufschlagen. Mehr brauche ich wohl nicht zu sagen.
Dass man, um nach L.A. zu kommen, fliegen musste, empfand ich als dickes Haar in der Suppe, oder, realistischer gesprochen, als Taube im Triebwerk. Das kommt tatsächlich vor. Wikipedia wies mich darauf hin. Manchmal fliegen Tauben ins Triebwerk. Und wenn sie das tun, fällt das Triebwerk aus. Der betrunkene Pilot kriegt das natürlich nicht mit. Verwirrt blinzelt er in den Nebel. Die Stewardessen versuchen, die kleinen Leuchtschriften ZIGARETTE-HAT-IN-DER-TOILETTE-FEUER-GEFANGEN auszuschalten. Die Passagiere niesen, weil sie sich mit Schweinegrippe angesteckt haben. Dann erheben sich die Flugzeugentführer.
Vermutlich hätte ich den Simon machen und was Positives denken sollen, anstatt vor dem Start in einem Flugzeug zu sitzen und mir Gedanken wegen der kommerziellen Luftfahrtlogistik zu machen. Aber ich war wegen des Fotos so wütend auf ihn, dass ich mich seinetwegen weigerte, das Ganze von der positiven Seite zu sehen. Und weil sich unser Abflug verzögerte, hatte ich lange Zeit, im eigenen Saft zu schmoren. Wir mussten noch auf einen Passagier warten, der zwar eingecheckt hatte, dann aber verschwunden war. Also, Busse warten nicht. Die halten ohnehin selten an. Auch Züge warten nicht einfach die paar
Weitere Kostenlose Bücher