Halb verliebt ist voll daneben - Roman
Minuten, die du brauchst, um dir einen Kaffee für unterwegs zu holen. Doch wir standen da und warteten auf jemanden, bis dieser oder diese mit dem Duty Free Shopping fertig war! Die junge Frau aus der Warteschlange saß auf dem Sitz neben mir. Auch sie machte einen sehr verängstigten Eindruck. Sie hatte seit dem Einsteigen ihr kleines Kruzifix nicht mehr losgelassen. Vermutlich wusste auch sie von den Tauben.
Wenigstens saß ich in der ersten Klasse und hatte ein Glas Champagner vor mir. Ich liebe Champagner. Welche einigermaßen vernünftige Frau tut das nicht? Ich kenne keine. Davon wird mir immer ganz leicht im Kopf, und ich fühle mich wohl wie in einem Sprudelbad. Obwohl die Wirkung in diesem Fall ungewöhnlich lang auf sich warten ließ. Doch da ich großzügig daran glaubte, dass sie irgendwann schon noch einsetzte, trank ich einen großen perlenden Schluck nach dem anderen – aus einem Glasglas, nicht aus einem Plastikglas. Ich schnippte zur Probe mit meinem Fingernagel dagegen. Und als ich das tat, kam der gut aussehende Steward mit einer geöffneten Champagnerflasche über den Gang auf mich zugeeilt.
»Notfall«, keuchte er, als er bei mir ankam.
Ich schaute unauffällig auf die junge Frau mit dem Kruzifix. Sie sah aus, als würde sie sich gleich in die Hose machen.
»Sie brauchen einen Nachschlag?«
Lächelnd füllte der Steward mein Glas nach.
»Ich liebe die erste Klasse«, trällerte ich zur Melodie von I Love Paris .
»Ich bin Brian«, stellte er sich vor.
Er war groß, hatte dunkle Haare, ein breites, unwiderstehliches Grinsen und sehr schöne Zähne.
»Sarah.«
Ich wandte mich mit einem Lächeln der jungen Frau neben mir zu, aber sie hatte sich scheinbar ins Gebet vertieft. Zu mir hätte eine Sitznachbarin, die Männer ausstehen konnte und gern dem Alkohol zusprach, besser gepasst. Diese war ein komisches kleines Ding. Sie hatte
ein hübsches Gesicht, zarte Züge und strahlend blaue Augen, trug aber einen französischen Zopf und eine hochgeschlossene weiße Bluse. Ein interessanter Look. Erinnerte sehr an die Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage, vor allem wegen des Betens.
Ich griff nach meiner Digitalkamera und ging die Fotos durch, die wir am letzten Abend gemacht hatten. Im Grunde waren darauf nur ineinander verwobene Gliedmaßen zu sehen. Aber auf einem hatte ich meine Beine um Simons Hals geschlungen. Das war eins meiner Lieblingsfotos. Simon sah umwerfend aus und meine Beine aus diesem Blickwinkel beinahe dünn. Dann gab es noch eins vom aufrecht stehenden Simon mit einer Banane vor seinen Genitalien. Und eins von Simon, wie er die Banane aß und seine Genitalien zeigte. Ich war hin und weg von meiner Digitalkamera gewesen. Und jetzt war ich drauf und dran, alle Fotos zu löschen. Digitalkameras hatten auf meiner Liste der Lieblingsdinge sofort einen Platz zwischen Stützstrumpfhosen und Schweinebratenkruste eingenommen. Sie erinnerten mich nur noch an dieses widerliche Foto, das Simon vermutlich damit aufgenommen hatte.
»Wie sieht’s aus, noch ein Glas Blubberwasser? Oder möchten Sie vielleicht zu was Stärkerem übergehen? Ein Gin Tonic vielleicht oder eine Bloody Mary?«, erkundigte sich der auf dem Boden neben mir kniende Brian.
»Hm.« Keine leichte Frage. Ich setzte mein nachdenkliches Gesicht auf.
»Also, ich werde Ihr Glas jetzt erst mal mit Schampus auffüllen, vor dem Essen werde ich Ihnen dann eine nette Bloody Mary …«
Er sprach seinen Satz nicht zu Ende. Ganz offensichtlich hatte mir die Ankunft des verspäteten Passagiers seine Aufmerksamkeit gestohlen.
»Oh, ist man endlich fertig mit Shoppen?«, flötete ich Brian zu.
Es sollte verschwörerisch klingen, kam aber recht laut rüber. Also gut, sehr laut. So laut, dass die fromme junge Frau von ihrem Gebet aufsah und zu kichern begann. Ich erwähnte, dass ich mich dank Champagner immer so angenehm leicht fühle. Ich vergaß hinzuzufügen, dass ich laut werde. Eigentlich werde ich sogar ZUERST LAUT! Genau, in Großbuchstaben – mit einem Gefahrenzeichen. Ich kämpfte gegen den Drang an, mich bei allen zu entschuldigen. Ich war überdreht. Die erste Klasse zermürbt einen Neuling. Ständig musste ich daran denken, dass bestimmt gleich jemand kam, um mir auf die Schulter zu tippen und zu sagen: »Gehen Sie zurück auf Ihren Platz.«
Nach der ganzen Warterei hatte ich insgeheim gehofft, dass der Neuankömmling Anne Robinson oder Simon Cowell wäre. Was mich an der ersten Klasse wirklich
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