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HalbEngel

HalbEngel

Titel: HalbEngel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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nicht mehr spielen kann. Und die Leute kaufen’s, und wer will es ihnen eigentlich verübeln? Kann ja selbst nicht bestreiten, dass ich interessiert wäre, wenn neues altes Material von Floyds Hochphase erschwinglich wird. Ich hab ein paar Bootlegs von den MBMI , und ich kann euch sagen: Die waren im Studio nur ein Schatten von dem, was sie live gemacht haben. Hey, um mit der Wahrheit rauszurücken: Ich hab ein Bootleg von dem Zeug, das Floyd jetzt solo macht, oben aufgenommen in Michigan. Das zieht dir die Fußhaut ab, Mann, kann ich dir versprechen. Das ist so genial verstiegen, Stockhausen ist wie Celine Dion dagegen. Ich mach euch ein Angebot, das ich nur einmal mache: magere 250 Dollar für ein echtes, digital kopiertes Stück vom Unsterblichkeitskuchen!
     
    MARA, 19, BOSTON, MASSACHUSETTS:
    Ya, ich hatte da diese Phase, wo ich total drauf war. Ich hab alles durcheinander genommen, sodass sich die Wirkung voll aufgehoben hat, nur dass ich immer mehr brauchte. Na ja. Jedenfalls habe ich dieses Stück von Metal Index , dieses mehr als zehn Minuten lange Teil mit diesem unglaublichen ... Zentrifugentornado, das hab ich im CD-Player auf Repeat gestellt und zwei Stunden lang voll aufgedreht laufen lassen, bis ich’s fast nicht mehr ausgehalten habe. Und dann habe ich ›Legless Bird‹ angespielt, übergangslos. Dieses süße, zerbrechliche ›Legless Bird‹ mit dem Gitarrenwind, der dich überall berührt und umschmeichelt. Und es ist mir gekommen so endlos und so sanft, es war der schönste verdammte Tag in meinem ganzen Leben.
     
     
     
    KEVIN, 22, BELLINGHAM, WASHINGTON:
    Wenn du mich fragst ... ist Floyd Timmen ein verwirrter kleiner Freak, der’s echt irgendwie verloren hat. Aber echt klare Saitenarbeit, Floyd! E-del!
     
    SONDRA, 32, WILLMAR, MINNESOTA:
    Ich habe ihn gesehen. Vor zwei Wochen erst. War ein furchtbarer Schock. Zuerst habe ich ihn gar nicht erkannt, ich meine, man kennt ja nur die Fotos und so aus den Zeitschriften und der CD. Und die Videos. Er spielte in einer Art Tanzschuppen drüben in Belgrade, irgendso ein abgehalfterter Joint, ihr könnt euch das sicher vorstellen. Na, und der Besitzer der Kaschemme kündigt an: Der großartige Mister Floyd Timmen, und ich denke noch, Floyd Timmen, Floyd Timmen, woher kennst du denn bloß den Namen, aber ich konnte ihn nicht zusammenbringen mit dem mageren, abgerissenen Kerl da vorne, so mit Vollbart und langen Haaren bis hier. Wie ein Penner sah er aus, wirklich, wie ein Obdachloser, der sich seit Wochen nicht mehr gewaschen hat. Und so mager und so blass, als ob er sich nur noch von Dope ernähren würde. Und viel zu dünn angezogen für die Jahreszeit, ich krieg’s richtig selber an der Blase, wie er so da stand. Na ja, und dann fing er an zu spielen auf seiner E-Gitarre und leise zu singen mit geschlossenen Augen, und da hab ich dann erkannt, wer er ist, und dass ich ja seine Platten zu Hause habe, und, ich sag’s euch ganz ehrlich, ich hab richtig das Heulen angefangen, Hank  – mein Mann – hat sich total über mich gewundert natürlich. Und die ganze Zeit, wie der da vorne spielt und singt, denke ich immer wieder: Wie ist das möglich? Wie ist das möglich, dass einer, der so weit oben war, so weit nach unten rutscht in nicht mal zwei Jahren? So was gibt’s doch eigentlich gar nicht. Wir haben doch immer noch ein soziales Netz, oder etwa nicht? Vor allem: Am Ende, als er fertig war, öffnete er die Augen und lächelte, und seine Augen waren ganz klar. Der nimmt keine Drogen, dachte ich, aber wahrscheinlich hat er Aids oder stirbt an irgendwas anderem. [...] Die Musik? Ja, die Musik. Das war ganz eigenartig. Fast wie Blues, aber doch nicht so richtig. Mit ein paar schönen Melodien dazwischen, aber auch viel ganz komischen Tonfolgen, wo einem ganz anders wird im Bauch. Von seinen alten Hits hat er keinen einzigen gespielt, nicht mal ›Goodbye‹. Ja, war schade eigentlich, dass er ›Goodbye‹ nicht gespielt hat. Das war mein Lieblingssong von ihm.
     
    BRIAN, 28, HARRISBURG, PENNSYLVANIA:
    Ahhhh, das ist doch alles Bullshit, diese Gerüchte, dass Floyd am Sterben ist und der ganze Scheiß. Glaub kein Wort davon, Buddy. Hey, wenn ihr die Wahrheit hören wollt, warum fragt ihr dann nicht mich? Ich hab Floyd nämlich gesprochen! Fer reeeal! Und is noch gar nich so lange her, so etwa drei Wochen würd ich schätzen. Ey, wisst ihr denn nicht, wer ich bin? Mit wem ihr’s zu tun habt? Ich bin Brian Milman, Leute! Ja, genau der Brian Milman.

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