HalbEngel
kann. Ihr habt ganz gut für uns gesorgt. Und nicht schlecht von uns gelebt. Aber der beinlose Vogel muss weiterziehen. Es ist ihm unmöglich zu landen.«
»Er kann nur das eine: fliegen.«
»Ja.«
Wayland drehte sich mit seinem Sessel wieder Floyd zu. »Na gut, mir fällt nichts mehr ein. Ich krieg nur Magengeschwüre, wenn ich weiter über dich nachdenke. Du bist nicht der beste Musiker, den ich je gesehen habe, du bist nicht unersetzlich. Geh, brich die Verträge. Wir nehmen dir alles, was dir gehört, und wir setzen MBMI mit deinen Songs fort. Mit einem neuen Sänger und Gitarristen, der besser ist als du.«
»Gut«, sagte Floyd lächelnd. Er sah jetzt aus, als würde eine Zentnerlast von ihm abfallen.
Donelli räusperte sich. »Du warst gestern mit Nick in einem Studio und hast recorded. Das Master gehört uns.«
»Ja«, bestätigte Floyd eifrig. »Ich habe es hier mitgebracht. Vielleicht macht ihr eine nette Gedenk-CD draus. So was verkauft sich immer.« Er förderte das teilweise abgerollte Band aus einer seiner tiefen Jackentaschen zutage und legte es auf Donellis Tisch.
»Was wir daraus machen, geht dich jetzt nichts mehr an.«
»Schon klar.« Floyd erhob sich und reichte Donelli die Hand. »Viel Glück.«
»Danke.« Donelli ergriff die Hand und schüttelte sie, ohne sich zu erheben. Floyd ging zur Tür. Als er sie erreicht hatte, sagte Donelli leise: »Du wirst es nicht schaffen.«
»Hm?«
»Du wirst es nicht schaffen, keine Kompromisse zu machen. Niemand schafft das, ohne abzustürzen.«
Floyd lächelte wieder. »Noel Scott Engel hat es geschafft.«
»Noel Scott Engel? Wer zum Teufel ist Noel Scott Engel?«
Doch die Tür war schon zu.
Floyd Timmens Aufmerksamkeit, seine Antwort, seine andere Ebene und der rotglühende Draht über dem nächtlich und unaufhörlich stürzenden Wasser blieben zurück als ein braunes billiges Chromdioxyd-Band mit gelben Endstreifen.
Auch als Donelli sich wieder umwandte und aus dem Fenster blickte, auf den schmalen Streifen Himmel, den ihm die Wolkenkratzer gestatteten, und auf die wimmelnden Mengen in den verfinsterten Schründen, konnte er das Spiegelbild des Mastertapes noch neben sich schweben sehen.
Wie ein kleines UFO, wie etwas aus einer fremden, unverständlichen Welt.
Der elfte von zwölf Rhythmen
Botschaften aus dem All
HARV, 22, EWAN, WASHINGTON:
Ich finde, sie waren die beste Band der Welt. Ja, ehrlich. Ich meine, klar, da kommen wieder Ältere und sagen, hey, hör dir doch lieber die Stones an oder die Beatles und so’n Scheiß und dass das alles schon vorher da gewesen ist. Aber das ist natürlich Quatsch. Das ist völliger Bullshit, weil, wenn du mal drüber nachdenkst ... war Picasso ja auch nicht der erste Maler auf der Welt, oder? Auch er hatte Vorbilder. Auch Picasso hat von anderen gelernt. Und trotzdem hat er doch was völlig Neues gemacht, oder? Oder etwa nicht? Der Erste zu sein in etwas ist cool, das ist wirklich cool. Aber der Beste zu sein – das ist besser.
BETH, 17, WHITE EARTH, NORTH DAKOTA:
Er hatte so was ... Süßes, halt. Er hatte diese ganz tollen Augen, ich hab ein Foto von ihm, wo er lächelt, hab ich mir ausgeschnitten und an die Wand gehängt, ja. Er hat selten gelächelt. Manchmal denke ich ... okay [lacht], das habe ich jetzt noch niemandem erzählt, aber das ist so ... Manchmal denke ich, wenn er mich kennengelernt hätte, hätte ich es fertiggebracht, dass er mehr lächelt. Ich kann jeden zum Lachen bringen, sogar dich jetzt, siehst du? [...] Ja, ich weiß, dass er nicht tot ist. Aber das ist wie tot, oder? Ich meine, das, was er da jetzt macht, das ist nicht mehr er. Ich glaube, er wird nie mehr lächeln.
DUCHELLE, 19, CLEVELAND, OHIO:
Sie waren okay. Halloran fand ich cool. Floyd eigentlich nicht so. Ich hab mir ihre Platte von einer Freundin ausgeliehen, aber mir nur drei Stücke überspielt. Das Meiste war nur Lärm. Die sollten aufhören zu schmollen und mit ’nem neuen Sänger weitermachen. Das T-Shirt? Ist auch von meiner Freundin. Ich hab’s mir nur ausgeliehen.
DENIECE, 17, MARSHFIELD, WISCONSIN:
Über MBMI kann ich euch was erzählen. Ich hab sie live gesehen in Milwaukee. Das war einen Tag nach dem Chicago-Ding. War so ziemlich das unglaublichste Konzert, wo ich je gewesen bin. Das Einzige, was ich je erlebt habe, was auch nur annähernd damit vergleichbar war, war ein Konzert von Nine Inch Nails in Detroit, das in so eine Art Schwarze Messe ausgeartet ist. Nackte Frauen
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