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Halbgeist: Roman

Halbgeist: Roman

Titel: Halbgeist: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam-Troy Castro
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offene Weste, die die Rundung ihrer Brüste betonte, und den unteren Teil eines Schiffsarbeitsanzugs, der sackartig und formlos an ihr herabhing. Weder Hose noch Weste schienen ihr wirklich zu passen, obwohl der in die Brusttasche gestickte Name ihr eigener war. Nichts an ihrem Körperbau, von der leichten Wölbung ihres entblößten Bauchs bis hin zu der sommersprossigen Haut an Armen und Beinen, zeugte von der Art von Hyperathletik, die so viele von Gibbs Leuten kennzeichnete. Ihre verquollenen, blutunterlaufenen Augen schienen die Hinterlassenschaft zu vieler schlafloser Nächte zu sein.
    Beide Frauen strahlten wachsame Vorsicht aus, noch ehe sie ein Wort gesagt hatten. Sie waren beide sehr verletzt worden, und das über lange Zeit; so verletzt, dass sie immer noch bluteten. War dafür nur der berufliche Ärger verantwortlich, der auf ihrem Versagen in der kopfüber stehenden Umwelt von One One One beruhte? Oder war da noch etwas anderes?
    Li-Tsan musterte mich von oben bis unten und sagte: »Sie sind also die Großinquisitorin.«
    »Um Inquisition geht es nicht«, entgegnete ich. »Ich möchte Ihnen nur ein paar Fragen stellen.«
    »Ja, sicher«, gab Li-Tsan zurück. Sie sprach auf die typische, abgehackte Art einer Frau, die Merkantil erst in höherem Alter als Zweitsprache erlernt hatte: überhöhte Vokale und übertrieben betonte Konsonanten. »Und wenn Sie all Ihre Fragen gestellt haben, wen werden Sie dann zum Sündenbock bestimmen? Doch nicht einen von Gibbs unfehlbaren Übermenschen, die wie Affen an dem Überwuchs baumeln. Nicht jemanden, den Gibb noch brauchen kann. Sie nehmen einfach einen, der verzichtbar ist, bereit, bei erster Gelegenheit weggeworfen zu werden wie ein kaputtes Ersatzteil, wenn sein Geschöpf Lastogne jemanden braucht, den er dem Corps als Übeltäter verkaufen kann ...«
    Fish blickte kaum auf. »Das ist nicht fair, Li ...«
    »Nichts ist fair, Zuckerstückchen. Nicht im Corps, nicht in dieser Welt und ganz sicher nicht in Gegenwart von diesem Haufen Tchischeiße.«
    Ärger, nicht nur zwischen diesen dreien und dem Rest des menschlichen Kontingents auf dieser Station, sondern auch Ärger zwischen diesen beiden. Ihr Leben als interne Exilanten musste etwa so interessant sein, wie es der an diesem Ort florierende Eifer, alles Mögliche mit Tchischeiße gleichzusetzen, für mich war. Ich wandte mich an Li-Tsan: »Würden Sie sich besser fühlen, wenn Sie meine Fragen in Abwesenheit von Mr. Lastogne beantworten könnten?«
    Li-Tsan schnaubte verächtlich. »Ich würde mich noch besser fühlen, wenn jemand ihn durch eine Luftschleuse rausbefördern würde. Aber ja, warum nicht, wenn Sie mir die Wahl lassen. Und da wir schon dabei sind: Mir wäre es lieber, wenn die beiden synchronen Zwillinge auch gleich verschwinden würden. Ich traue niemandem, der für den Herrn dieses auf dem Kopf stehenden Irrenhauses arbeitet.«
    »Schon gut«, sagten die Porrinyards.
    »Haut ab und fickt euch noch ein bisschen mehr«, riet ihnen Li-Tsan mit besonderer Betonung.
    Lastognes Lächeln blieb standhaft, war jedoch weniger ein Zeichen der Liebenswürdigkeit eines Mannes, der sich nicht kränken ließ, als das der Arroganz eines solchen, der diese Gegner für unter seiner Würde hielt. »Du zuerst, Lehnsfrau.«
    Die Porrinyards bedachten mich mit einem Blick, den sie wohl für beredt hielten, der für mich jedoch vollkommen undurchsichtig war. Wieder ahnte ich ein verborgenes Element, eine Art Insiderwitz, was bei den beiden mehr oder weniger unvermeidlich zu sein schien, nur dass ich dieses Mal anscheinend irgendwie beteiligt sein sollte. Ich sage es noch einmal, ich hatte nicht den Hauch einer Ahnung, worauf sie hinauswollten, und auch dieses Mal schienen sie sich nicht sonderlich an meiner Begriffsstutzigkeit zu stören.
    Erst als meine drei Begleiter den Hangar durch die Luke am anderen Ende verlassen hatten, wandte ich mich wieder an die Höhenängstlichen. »Ich weiß nicht, ob das für Sie von Bedeutung ist, aber ich halte es für falsch, Lastogne als Gibbs Geschöpf zu bezeichnen. Mir kam es eher umgekehrt vor. Lastogne hat Gibb sogar der Inkompetenz bezichtigt.«
    Li-Tsan verdrehte die Augen. »Und Sie sind wie lange hier, einen ganzen Zyklus oder schon zwei? Wow, Counselor, ich bin beeindruckt, wie vollständig es Ihnen gelungen ist, die wahre Natur der Beziehung zwischen diesen beiden Personen zu analysieren.«
    »Wenn ich zu schnell geurteilt habe, lasse ich mich nur zu gern eines Besseren

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