Halbgeist: Roman
langsam vor Langeweile den Verstand zu verlieren. Das Dip Corps hat sich uns gegenüber immer vorbildlich und anständig verhalten. Ich kann mir wirklich nicht vorstellen, warum wir nicht damit rechnen sollten, dass das auch in Zukunft so bleibt. Nein, das kann ich mir überhaupt nicht vorstellen.«
»Dann denken Sie also nicht, dass es irgendwelche Beweise gegen Sie gibt?«
Li-Tsans Augen zogen sich zusammen und sahen ziemlich gefährlich aus. »Sie sind die Ermittlerin. Sie müssten wissen, was die haben oder nicht haben.«
Allmählich war sie mir wirklich zuwider. »Ich bin gestern angekommen, Li-Tsan. Nehmen wir einfach an, ich wüsste gar nichts.«
»Sie haben weniger als nichts. Sie können allenfalls nachweisen, dass so etwas absolut und vollkommen unmöglich ist. Sie mögen uns für wertloser als Tchischeiße halten, aber sie wissen auch, dass wir hier festsitzen und zu keinem Zeitpunkt mit irgendetwas zu tun haben, das auf dieser Station passiert. Aber sie werden es uns in die Schuhe schieben. Sie werden es tun, und sei es nur, um unsere Gesichter zu sehen.«
Ihre Heftigkeit war ein bisschen so, als stöpsele man bei voller Voltzahl in einen Vergnügungsknoten ein. Ich rieb mir die Schläfen. »Gibb sagt, er hält die KIquellen für verantwortlich, und einen anderen Eindruck hat er mir gegenüber nie erweckt.«
Sie gab einen unfeinen Ton von sich. »Sie wissen genau, dass er die KIquellen nicht die Schuld ausbaden lassen kann. Das käme einem bedeutenden diplomatischen Zwischenfall gleich und könnte sogar auf einen Krieg hinauslaufen. Da stolziert er doch besser ein bisschen durch die Gegend, tut, als wäre er hart im Nehmen, und liefert schließlich irgendeine Lösung, die niemandem Unbehagen bereitet, abgesehen von den drei mutmaßlichen Verdächtigen, die er im Kühlhaus konserviert hat.«
Ich dachte an Bringens Anweisungen und seine wenig subtilen Vorstellungen. Wie auch immer die Fakten aussehen, die Beweise, was immer Ihr Gefühl Ihnen sagt ... befinden Sie die KIquellen für unschuldig. Selbst wenn sie schuldig sind, befinden Sie sie für unschuldig. ... Wir brauchen einen Schuldigen, den wir einsperren können.
Hatte er da bereits an diese drei gedacht?
Möglich. Er musste Gibbs Berichte aus der Station gelesen und Hinweise auf drei Personen gefunden haben, deren Schicksal niemand beklagen würde, sollten sie vor Gericht gestellt werden.
Aber damit wollte ich nichts zu tun haben. Ich hatte schon mehr als genug getan, um mir das Etikett ›Monster‹ zu verdienen, vielen Dank auch. Ich hatte es gewiss nicht eilig, diesen Titel um eine zusätzliche Bedeutung zu bereichern. Also bedachte ich Li-Tsan mit dem unfreundlichsten Grinsen, dessen ich fähig war. »Na schön, ehe ich nun offiziell beschließe, Sie wegen Mordes anzuklagen und zu Ihrer Gerichtsverhandlung zu expedieren, sollte ich wenigstens die grundlegenden Schritte durchexerzieren. Vielleicht fangen wir mit der Frage an, wie Sie sich Ihre speziellen Probleme mit höheren Stellen eingefangen haben.«
Grollend studierte sie mich aus halb geschlossenen Augen. »Welchen Unterschied soll das machen?«
»Es hat Sie dahin gebracht, wo Sie jetzt sind. Sie wurden für diesen Einsatz ausgewählt, weil das Corps geglaubt hat, Sie könnten unter den hiesigen Bedingungen arbeiten. Aber aus irgendeinem Grund können Sie das nicht. Was das Thema interessant macht. Also, erzählen Sie es mir. Was hat Sie zu so vielversprechenden Rekruten gemacht? Und was hat sich verändert?«
Die drei Höhenängstlichen schmorten still vor sich hin: D'Onofrio angewidert und in sich zusammengesackt, Fish voll und ganz auf die eigenen Hände konzentriert, und Li-Tsan brodelte am Rande einer weiteren Explosion.
Welche dieser drei Personen die temperamentvollste war, stand außer Frage, aber das hatte nichts zu bedeuten, nicht, solange es um Morde ging, die in erster Linie eine umfangreiche, kaltblütige Planung erforderlich gemacht hatten, um als Verbrechen aus Leidenschaft glaubhaft zu wirken.
Ich zeigte auf D'Onofrio, der auf mich den ausgeglichensten Eindruck unter diesen drei Personen machte. »Sie zuerst.«
Er entspannte sich. »Ja, warum auch nicht. Allerdings könnten Sie genauso gut meine Akten lesen, nicht wahr? Die würden Ihnen das Gleiche sagen wie ich. Ich komme von einem Planeten namens Agali Vespocci. Kennen Sie ihn?«
»Nein, tut mir leid.«
»Das ist nicht verwunderlich. Er ist nur begrenzt bewohnbar, und dort passiert nie irgendetwas
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