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Halbmast

Halbmast

Titel: Halbmast Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Lüpkes
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Augenblick um jede Planke kämpfen würde.
    Er hatte es auch jetzt wieder in den Griff bekommen. Er musste die überbrückte Stelle gefunden und das manipulierte Kabel entfernt haben. Und nun schob sich die
Poseidonna
wieder weiter, als wenn nie etwas geschehen wäre.
    Wäre Marten gläubig gewesen, so hätte er jetzt ein Dankgebet Richtung Himmel geschickt. Denn anderthalb Stunden Verspätung bedeuteten nicht, dass der Zeitplan allzu sehr ins Wanken geraten war. Perl war nicht in Gefahr.

Carolin
    Erst als die
Poseidonna
in voller Länge in der Leda lag, wagte der Kapitän ein erneutes Signal. Lang und majestätisch verkündete es den Menschen auf dem Deich und in den Straßen, dass man das Problem in den Griff bekommen hatte und nun die Reise wirklich losging. Trotz des Nebelhorns konnte man das begeisterte Klatschen und Jubeln von Land her hören. Die Erleichterung stand auf den zahlreichen Gesichtern geschrieben, wie Carolin mit dem Telezoom feststellen konnte. Es wäre ja auch undenkbar gewesen, hätte die
Poseidonna
bereits hier kapitulieren müssen.
    Carolin blickte in Fahrtrichtung geradeaus. Noch immer stand sie dort auf diesem unfertigen Balkon von Deck 7.   Und Pieter, ein merkwürdiger Typ, ein Saboteur mit Rastazöpfen, mager und blass, aber mit leuchtenden Augen, stand neben ihr und drehte sich eine Zigarette. Carolin hätte sich an seiner Stelle wieder versteckt, aber er schien eine Seelenruhe zu haben.
    Carolin verspürte Hunger. Sie wusste, dass dort obenbeim Kapitän ein Frühstück auf sie wartete. Doch sie blieb, wo sie war.
    Natürlich hätte sie sich sofort an Ebba John wenden müssen, sie hätte Alarm schlagen müssen. «Hallo, hier ist der Mistkerl, der euch diese Panne beschert hat.» Sie tat es aber nicht. Bislang gab es keinen Grund, ihn ans Messer zu liefern. Das Schiff schien keinen ernsthaften Schaden genommen zu haben. Gut, Sinclair Bess hatte sich vielleicht einen blauen Fleck eingefangen. Aber war das eine Katastrophe? Außerdem war Carolin gespannt, was dieser Pieter zu berichten hatte.
    Er hatte bislang nur wenig über seine Motive erzählt. Carolin wusste nur, dass es um den Fluss ging.
    Vielleicht gab das, was er erzählen würde, einen Hinweis auf Leifs Verschwinden.
    «Bist du jetzt enttäuscht?», fragte sie schließlich, nachdem sich Pieter umständlich die Zigarette angezündet hatte. Es war windig geworden. Zwar gab es kaum Wolken am Himmel, doch einige Böen wehten an Bord und bliesen Carolin die dunklen Haarsträhnen in die Stirn. «Dein Plan hat funktioniert, doch die Schmidt-Katter-Werft ist besser, als du gedacht hast. Ist es nicht so?»
    Er lächelte mit einem Mundwinkel. «Es ist schon ein Erfolg, dass die Königin beim feierlichen Auszug gestrauchelt ist. Außerdem bin ich ja noch nicht am Ende.»
    «Du hast noch mehr   …»
    «Willst du das wirklich wissen?»
    «Ich möchte alles wissen! Sind wir in Gefahr?»
    «Ja, wir sind in Gefahr. Die ganze Region ist in Gefahr. Aber nicht, weil ich versuche, diese Fahrt zu behindern. Hast du dich über das Projekt hier informiert? Über die Werft und die Vertiefung der Flüsse und die Stauwirkung des Sperrwerkes?»
    «Nur ein wenig», musste sie zugeben.
    «Früher hatte die Ems eine Fließgeschwindigkeit von 2,5   Knoten und eine Flutdauer betrug sechseinhalb Stunden. Heute reißt sie uns mit vier Knoten den festen Flussboden unter den Füßen weg. Die Flut hat nur noch vier Stunden Zeit, in die Ems vorzudringen, während die Ebbe sich auf acht Stunden verlängert hat. Und der Wahnsinn nimmt kein Ende.» Wenn er sprach, bewegte er seine schlanken Hände, mit denen er die Flussströmung nachahmte. Sie schaute ihm gern dabei zu.
    «Aber man hat doch jetzt das Sperrwerk gebaut, um weitere Vertiefungen zu umgehen.»
    «Das ist alles Augenwischerei. Die baggern trotzdem immer weiter. Irgendeinen Grund finden sie, zumal sie von allen staatlichen Stellen unterstützt werden. Sie fangen schon Monate vor den Schiffsüberführungen an. Offiziell sind die Arbeiten als Säuberungsmaßnahme getarnt und subventioniert, und dann stauen sie noch zusätzlich. Sie machen uns die ganze Küste kaputt mit dem Mist. Und wenn es mal wieder eine Sturmflut geben sollte, wie beispielsweise in den sechziger Jahren, dann ist hier Land unter.»
    Carolin beschlich ein ungutes Gefühl. War es das, was Leif ihr hatte sagen wollen? Aber wenn Pieter davon wusste, so konnte es keine streng geheime Sache sein. Eher ein vertuschtes, verschwiegenes und

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