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Halbmast

Halbmast

Titel: Halbmast Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Lüpkes
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seine Augen ihre Aufmerksamkeit ein. «Wovor hast du Angst? Ich glaube, dass ich von dir viel mehr zu befürchten habe, als du von mir. Du könntest mich auffliegen lassen. Schmidt-Katter und die anderen würden dir einen Orden dafür verleihen. Aber ich vertraue dir, dass du es nicht tust. Also, was soll deine Frage?»
    Sie schwieg. Nach einer Minute entfernte sie sich von der Reling und steckte das Diktiergerät in die Hosentasche. «Also dann   … Wir werden uns zuerst neue Batterien besorgen und dann gemeinsam die Aufnahmen meines Kollegen abhören. Vielleicht hilft uns das weiter. Wir können uns über den Balkon in die Kabine meines Kollegen hangeln. Das habe ich vorhin auch gemacht. Es ist nicht so schwer.»
    «Aber vorhin stand die
Poseidonna
still, oder nicht? Inzwischen sind wir in Fahrt, da wird es nicht mehr so einfach werden, sich an der Außenwand zu halten.»
    Carolin nickte. «Dann müssen wir eben vorsichtig sein. Wenn sie uns beide gemeinsam entdecken, werden wir uns eine ziemlich gute Geschichte einfallen lassen müssen.»
    «Ich könnte dir noch einen anderen Weg zeigen. Nur fürden Fall, dass du dich auf deiner Suche nach deinem Kollegen mal unbemerkt fortbewegen willst   …»
    «Meinst du, das wird nötig sein? Ich komme mir vor wie eine Spionin.»
    «Es kann nicht schaden.»
    «Also?»
    «Die Lüftungsschächte!», antwortete Pieter. «Dort werden wir sicher niemandem begegnen.»
    «Ich habe einen katastrophalen Orientierungssinn. Wir werden vielleicht nie wieder zurückfinden.»
    Er schmunzelte. Ein bisschen erinnerte er sie an Leif, dieses überlegene Grinsen, dieser wissende Blick. Er sah nur wesentlich netter damit aus. «Mach dir keine Sorgen, ich kenne das Schiff. Ich habe mir eine Taschenlampe mit an Bord geschmuggelt, wir werden uns also bestens zurechtfinden. Kannst du klettern?»
    «Mein zweiter Name ist
Catwoman

     
    «Schmidt-Katter weiß, dass sein Betrieb von der Gunst der Macht habenden Politiker abhängt. Nicht nur auf der Landesebene, sondern bundesweit. Er empfängt gern Minister, Kanzler, Präsidenten, und er nimmt dankend deren Subventionsversprechen ab. Er sucht sich auch die Presseleute aus, die er an Bord lässt, damit die Berichterstattung so ausfällt, wie er es gern hätte. Alle leitenden Angestellten sind instruiert, die Werft gezielt nur im besten Licht zu präsentieren, damit die Öffentlichkeit sich auch weiterhin mit dieser Firma identifiziert. Denn als großzügiger Arbeitgeber, der um seine Belegschaft kämpft, sich sorgt und sich für sie einsetzt, wird Schmidt-Katter zum Hoffnungssymbol für das ganze Land. Und jeder Politiker, der ihn fördert, hat ein Stein im Brett bei den Menschen, die die Angst vor der Arbeitslosigkeitkennen. Und das sind heutzutage nicht wenige, und sie sind automatisch Wähler. So einfach ist das Prinzip. Und da schließt sich der Kreis. Jeder profitiert von jedem, solange das Bild der Werft makellos ist   … solange das Bild makellos ist.» Man hörte Leifs typisches Schnauben.
    Carolin drückte die
Stop
-Taste.
    Pieter lag lang ausgestreckt auf der hässlichen Tagesdecke. Er schien hundemüde zu sein. Der Gang durch die Lüftungsschächte war anstrengend gewesen, zudem hatte er die letzte Nacht in einem Rettungsboot verbracht und dementsprechend wenig geschlafen. Eigentlich hatte er nur kurz mit in die Kabine gewollt, er hatte ihre Toilette benutzt und ein wenig Wasser aus der Leitung getrunken. Carolin hatte ihm angeboten, ihr Bett zu nutzen, während sie die neuen Batterien in den Recorder bastelte und die Aufnahmen anhörte. Er hatte zwar abgelehnt, war aber keine zehn Sekunden später doch in die Waagerechte gefallen.
    Carolin saß am Schreibtisch und starrte dankbar auf das Diktiergerät. Die Aufnahmen waren noch drauf, Gott sei Dank. Zwar spielte das Gerät nur noch in minimaler Lautstärke und man musste sich wirklich anstrengen, alles zu verstehen, doch wenigstens konnte man Leifs Sätze, abgesehen von ein paar Sprüngen, noch komplett abspielen. Die ersten fünf Tracks hatten Leifs mündliche Notizen und einige Gespräche mit verschiedenen Personen auf dem Champagnerempfang wiedergegeben. Belangloses Honig-um-den-Mund-Geschmiere von Schmidt-Katter, Wolfgang Grees, Mrs.   Sinclair Bess. «Hach, wir sind alle so stolz, es wird herrlich werden, das Wetter ist optimal, das Schiff eine Pracht   …»
    Und dann, bevor Carolins Testaufnahme losholperte, ein Monolog aus Leifs Mund, gut verständlich in anscheinend

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