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Halbmast

Halbmast

Titel: Halbmast Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Lüpkes
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verdrängtes, aber offenes Geheimnis.
    «Warum wendet ihr euch nicht an die regionale Presse?»
    Er lachte bitter. «Du kannst dir nicht vorstellen, wie unpopulär eine Meinung ist, wenn sie den Wohlstand der Menschen gefährdet. Und die Zeitungen hier leben auch nur von den Werbeanzeigen der großen Firmen. Wirtschaftlich hängt hier alles direkt oder indirekt an der Schmidt-Katter-Werft. Wenn du sagst: Leute, wir müssen aufpassen, dieVeränderungen an der Ems können in einer Katastrophe enden, dann halten sich alle die Ohren zu.»
    «Das Sperrwerk dient doch eigentlich dem Küstenschutz, oder nicht? Ist es nicht als Sturmflutbollwerk errichtet worden?»
    «Kann es sein, dass ihr, dich und deinen Kollegen meine ich jetzt, im Vorfeld lediglich von Schmidt-Katter Informationen zugespielt bekommen habt? Und dass ihr euren Job nicht ganz gründlich verrichtet?»
    Carolin fühlte sich ertappt. «Hey, ich bin eigentlich nur Fotografin. Und wir sollten über das Schiff berichten, nicht über den Fluss.»
    «Als ob das nicht ein und dasselbe wäre!» Er schnaubte verächtlich. Dann schien er sich zu beruhigen und blickte sie von der Seite an. Seine Augen waren eindringlich und klar. Dieser ungewöhnliche Blick verriet etwas über ihn. Er lächelte, dieses Mal mit beiden Mundwinkeln. «Viele Menschen denken so, ich will euch da keinen Vorwurf machen. Aber das Dollartsperrwerk ist in meinen Augen die Verneinung einer Sturmflutsicherung. Einige der wenigen Binnenschiffer, die auf der Ems überhaupt noch fahren können, haben in der Höhe von Coldeborgersiel ein Loch von fast dreißig Meter Tiefe gemessen. So richtig schön neben dem Deichfuß. An dieser Stelle fließt der Strom in einer Art Knieform, und das Wasser trifft im rechten Winkel auf diese Schwachstelle. Und dann wird das Wasser gestaut, das Land ringsherum wird nass wie ein Schwamm, das Unterwasserloch frisst sich mühelos unter den Deich und dann   …»
    «…   Deichbruch», schlussfolgerte Carolin.
    «So ist es. Da nutzt uns dann das modernste Sperrwerk nichts, wenn die Überflutung aus dem Landesinneren kommt. Es ist der reinste Hohn. Fördergelder in Millionenhöhe beschenken uns mit einem hässlichen und gefährlichenBetonklotz, nur damit Schmidt-Katter seine Traumschiffe verkaufen kann.»
    Carolin schaffte es endlich, ihren Blick von ihm zu lösen. Doch auch, wenn sie ihm nicht beim Reden zusah und sie nicht die Energie vor Augen hatte, mit der er von seiner Sache sprach, auch dann überzeugten seine Worte.
    «Willst du, dass das
Objektiv
darüber schreibt?», fragte sie. «Unser Magazin wird bundesweit gelesen, wir erreichen ein ganz anderes Publikum als die Lokalpresse. Ich habe schon an ähnlich brisanten Sachen gearbeitet.»
    Er fasste sie an der Schulter an. «Was würdest du sagen, wenn ich dir erzähle, dass ich ein wenig darauf spekuliert hatte, dass du mir dieses Angebot machst?»
    «Ich würde sagen, dass du ganz schön berechnend bist.» Kurz überlegte Carolin, ob diese Begegnung hier vielleicht keinesfalls so zufällig gewesen war, wie es auf den ersten Blick gewirkt hatte. «Aber an diesem Thema ist was dran. Es reizt mich, an solchen Reportagen zu arbeiten. Es reizt mich auf jeden Fall mehr als eine durchgestylte Schmidt-Katter-Hymne.»
    «Also?», hakte er nach.
    «Also abgemacht. Ich werde versuchen, einen Bericht über den Fluss und eure Umweltorganisation zu bringen. Allerdings brauche ich dazu meinen Kollegen. Wenn du mir versprichst, mir bei der Suche nach ihm behilflich zu sein, und wenn du mir garantierst, dass niemand ernsthaft zu Schaden kommt, werde ich dich decken.»
    «Gut, ich verspreche es! Es wird nichts Schlimmes geschehen. Außer vielleicht   …»
    «Vielleicht was?»
    «Vielleicht ein paar tausend Euro Sachschaden. Aber glaube mir, dass können sowohl Schmidt-Katter wie auch Sinclair Bess ganz gut verkraften.»
    Sie musste lachen. Er gefiel ihr. Sie war bei ihrem Job schon oft Menschen begegnet, die sich für eine Sache einsetzten. Und sie mochte diese Kämpfer gern, sie bewunderte sie sogar ein bisschen. Doch Pieter war bislang der Erste gewesen, der sie so schnell und mit so wenig Worten hatte überzeugen können. Allein mit der Kraft seiner Augen und der Bewegung seiner Hände hatte er sie für sich gewonnen. Sie würde das Risiko eingehen und sich auf seine Geschichte einlassen. «Bist du allein, oder sind noch mehr von deiner Sorte an Bord?»
    «Ich bin allein.»
    «Und ich kann dir vertrauen?»
    Wieder fingen

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