Hallo Mister Alzheimer
Fachpersonen schreiben und reden. Es sind Fragen von Leuten, die täglich mit den Symptomen von Demenz leben. Es sind Fragen von außen nach innen und Antworten von innen nach außen.
Natürlich musste ich ein paar Details der Fragen abändern, um die Privatsphäre der Ratsuchenden zu schützen. Aber die Ausrichtung der Fragen, die schwierigen Aspekte, die alltäglichen Probleme, die bei von Demenz betroffenen Familienmitgliedern zu Schwierigkeiten führen, kommen dennoch ganz deutlich zum Ausdruck. Nicht immer sind die Antworten so klar wie die Fragen. Einerseits ist jede Antwort auf die durch Demenz aufgeworfenen Fragen und Probleme von Person zu Person, Familie zu Familie und Symptom zu Symptom einzigartig und andererseits gleich. Diese Antworten sind das, was bei mir und meiner Familie funktioniert hat oder hätte funktionieren sollen. Es gibt keine Geld-zurück-Garantie, dass alles in diesem Buch bei Ihnen funktioniert. Der Himmel und alle Taylors wissen, dass auch bei mir nicht alles funktioniert hat. Und so bin ich der tiefen Überzeugung, dass wir alle von den ehrlichen, aufrichtigen Erfahrungen anderer Menschen, die sich in einer ähnlichen Situation befinden, lernen können. Genau darum geht es in diesem Buch.
Es ist noch nicht allzu lange her, da gab es Zeiten, an denen ich über Dinge nachdachte. Ich dachte an jedes meiner Kinder, meine Frau und meine übrige Familie. Ich machte mir Sorgen über die globale Erwärmung, den Präsidenten, darüber, ob wir jetzt Geldausgeben sollten, um zum Mars zu fliegen, darüber, was eine Sekunde vor dem Urknall geschah und unter vielen, vielen anderen Dingen auch an die Chicago Bears 1 . An all diese Dinge denke ich nicht mehr, außer natürlich an die Chicago Bears.
Es ist nicht so, dass ich überhaupt nicht denke. Ich erinnere mich nur nicht an das, was ich dachte. Das Streiten mit meiner Frau ist ein gutes Beispiel. Ja, manchmal streiten wir, meist über dummes Zeug. Ich erinnere mich daran, dass wir gestritten haben, aber die meisten Details sind weg. Ich halte weiter an meinen Gefühlen fest (eine meiner weniger gesunden Angewohnheiten). Ich fühle mich traurig oder glücklich oder was auch immer. Ich kann mich nur an keinerlei Einzelheiten erinnern und jetzt kann ich mich meist nicht einmal mehr an das Thema erinnern, welches das Gefühl ausgelöst hat.
Früher dachte ich über Streitigkeiten so lange nach, bis ich zufrieden festgestellt hatte, ob ich im Recht oder im Unrecht war oder ob wir beide jeweils ein bisschen Recht und ein bisschen Unrecht hatten. Weil ich nun schon länger verheiratet bin, als ein guter Portwein zur Reife braucht, habe ich ein paar allgemeine Regeln für eine erfolgreiche Ehe gelernt. Eine davon lautet: Wenn du dir klar gemacht hast, dass du im Recht bist, behalte es für dich und mach weiter. Jetzt aber fegt Dr. Alzheimer Details von Streitigkeiten hinweg, bevor ich eine Chance habe, Richtig und Falsch in einer Auseinandersetzung herauszufinden.
Dieses Phänomen erstreckt sich nicht nur auf Streitigkeiten. Ziemlich viele Einzelheiten der meisten Gespräche sind mir verlorengegangen, solange ich sie nicht aufschreibe; und jetzt kann ich meist weder meine eigene Handschrift lesen noch verstehen, was ich aufschrieb. Ich weiß, dass wir über irgendetwas sprachen. Gewöhnlich kann ich ein Thema mit einer Person assoziieren, das heißt, sie spricht über eine DVD, an der ich arbeite, er sprach übermeine Fahrt nach Idaho. Aber ich weiß nicht mehr, was genau gesagt wurde.
Es ist, als würde man das Inhaltsverzeichnis eines Buches oder die Kapitelüberschriften eine nach der anderen, aber außerhalb der Reihenfolge lesen und sich dann hinsetzen, um über das Buch und seine Bedeutung nachzudenken. Es ist einfach unmöglich. Es ist frustrierend, sehr verwirrend und zunehmend traurig. Es gibt mehr Momente, an denen ich mir wünsche, der Vorhang würde rasch fallen und ich könnte an einen Ort gelangen, an dem ich einfach nicht mehr zurückschauen kann. Die gegenwärtige Situation macht mich mürbe!
Leute, die mit Demenz leben, schreiben nicht viele praktische Ratgeber, denn kaum hat man einen Weg gefunden, um mit einem Symptom zurechtzukommen, verändert es sich auch schon. Kaum haben andere sich ein Bild von uns gemacht, ändern wir uns auch schon. Kaum haben wir uns ein Bild von jenen anderen gemacht, verändern wir uns beide. Schon wenn es nur um unsere sich stets wandelnde Welt und unsere sich verändernden Beziehungen geht, ist es
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