Hallo Mister Alzheimer
Dynamik und des Verlaufs Ihrer Beziehung fällt mehr und mehr auf die Schultern der Betreuungsperson. Zum Ende hin können Sie sich verändern, sie kann es nicht. Diese Tatsache ist für Sie beide nicht fair, trifft aber ganz gewiss zu. Es tut mir leid, wenn diese Last vollständig auf die Schultern anderer fällt. Bitte gehen Sie mit anderen so um, wie Sie möchten, dass andere mit Ihnen umgehen.
Richard
30. Wie geht ein Existenzialist mit der Diagnose Alzheimer um?
Lieber Richard,
ich bin kein Philosoph, aber wenn ich lese, was Sie schreiben, scheint es, als hätten Sie eine existenzielle Weltsicht. Hilft oder behindert sie Sie im Umgang mit den Belastungen durch die Demenz? Wie beantworten Sie für sich selbst einige der fundamentalen, von existenziellen Philosophen aufgeworfenen Fragen, von denen meines Wissens keiner jemals darüber gesprochen hat, wie es ist, mit den Symptomen von Demenz zu leben?
Brauchen wir eine «Schule» von Demenzphilosophen? Sind die Überlegungen existenzieller Philosophen auf unser Leben, Ihres und meines, anwendbar?
Friedrich N.
Hallo!
Nein und ja. Nein in Bezug auf die existenzielle Vorstellung, die menschliche Existenz sei bedeutungslos und ohne Sinn. Ja, ich glaube, jeder von uns kann bzw. muss die Bedeutung und den Sinn seines Lebens definieren. Als Individuen sind wir dafür verantwortlich, unser Selbstgefühl, unsere Überzeugung, dass es gut und wichtig ist, wer wir sind, und dass wir es unter Kontrolle haben, zu definieren, zu kreieren und aufrechtzuerhalten. Wenn unsere Symptome bis zu dem Punkt voranschreiten, an dem unsere inneren Gespräche nicht länger geordnet, rational oder evidenzbasiert sind, gibt es uns immer noch. Für die existenzielle Sichtweise der Welt ist es äußerst wichtig zu erkennen, dass wir existieren. Lebensqualität ist nicht so bedeutsam wie die Tatsache, dass wir hier sind.Seltsamerweise teilen die Leute in den Rechnungsabteilungen vieler Demenzeinrichtungen diese Ansicht. Macht das alle Buchhalter zu Existenzialisten? Aber ich schweife ab.
Wir leben in einer Welt, die zu jedem beliebigen Zeitpunkt ein zufälliges kosmisches Zusammentreffen von Umständen zu sein scheint. Diese Umstände sind bar jeder Bedeutung, sie sind einfach! Indem wir uns definieren, übersetzen wir die Welt um uns herum und in uns in etwas Bedeutungsvolles, transformieren sie jedoch nicht. Unser Ziel ist, die Bedeutung für uns und diejenigen um uns positiv zu machen.
Mann, das waren jetzt Worte! Indem ich meine eigenen Worte übersetze glaube ich, dass der Wert meines Lebens durch mich über das definiert wird, was ich denke und tue. Ich denke, es besteht die Möglichkeit einer höheren Macht, die durch mich und indem ich an sie glaube und sie akzeptiere, Bedeutung in mein Leben bringt. Ehrlich gesagt bin ich mir in diesem Punkt nicht ganz sicher und glaube daher, es liegt in meinem eigenen besten Interesse, die Verantwortung für das Kreieren meines Lebens und der Tugend und Sinnhaftigkeit darin selbst zu übernehmen.
Und schon kommt der Quirl, der Hirnverwürfler, Demenz genannt. Ebendieses Instrument, das ich dazu verwandt habe, mich zu definieren, meine Welt zu erschaffen und mir die Welt um mich herum «vorzustellen», wird gerade auf eine Weise erschüttert, wie es nie zuvor erschüttert wurde. Wenn es je ein Ereignis gegeben hat, das alle Elemente enthält, die man braucht, um eine existenzielle Krise (außer den herkömmlichen, wenn man 30, 40 oder 50 wird, heiratet, einen Ehepartner oder ein Kind durch Tod verliert etc.) auszulösen, dann ist es das Auftreten und die anschließende Benennung der Symptome kognitiven Abbaus wie bei: «Sie haben Demenz, möglicherweise von diesem oder jenem Typ.» Ich kann nicht sicher sein, ob ich jemals wieder sicher sein werde.
In diesem Moment brauche ich meinen Verstand, um mit der scheinbaren Unfairness der Welt zurechtzukommen. Ich stehe da,mit durcheinandergebrachtem Verstand, um Sachen zu verstehen. Kein Wunder, dass manche sich einigeln, sich von anderen zurückziehen, die Zeichen der Depression zeigen und beim Anhören der Diagnose allgemein ängstlich werden. Wenn ich den Punkt erreiche, an dem ich aufhöre, über meine Welt und mich nachzudenken, wie ich es jetzt tue, werde ich dann praktisch aufhören zu existieren?
Na ja, so in etwa. Ich werde immer noch da sein – das heißt, mein Körper wird da sein. Aber wer oder was werde ich sein? Wo finde ich neue Bedeutung für mein Leben? In einem Pflegeheim zu
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