Hallo Mister Alzheimer
Verlust ihres Beins keine ganze Person mehr waren, hätte niemand anders über Sie gedacht oder Sie anders behandelt als vor dem Verlust des Beins. Schließlich waren Sie weiterhin Carlos.
Ich kann nur aus meinen eigenen Erfahrungen sprechen. Wie Sie habe ich eine kognitive Krankheit. Ich habe schon einige funktionelle Fähigkeiten meines Gehirns verloren und verliere kontinuierlich immer mehr. Ich weiß, dass ich keine Hirnprothese bekommen kann. Ich weiß, dass eine Therapie die geschädigten Teile meines Gehirns und meine nachlassenden kognitiven Fähigkeiten weder erneuern noch ersetzen kann. Ich werde die Hilfe Dritter brauchen, um auf einem höheren Kompetenzniveau funktionieren zu können als ich dies selbst kann. Aber warum konzentrieren sich Fachkräfte und andere Menschen auf meine verlorenen Funktionen, statt auf die Fähigkeiten, die ich noch habe? Fast immer, wenn ich zu einem Arzt gehe, werde ich gefragt: «In welchem Land leben Sie? Wer ist der Präsident der Vereinigten Staaten? Wiederholen Sie die drei Worte, die ich Ihnen vor fünf Minuten gesagt habe.» Man weiß bereits, dass ich die korrekten Antworten auf diese Fragen nicht weiß. Warum fragt man immer wieder? Warum betrachten mich die Familie und Freunde als halbvoll, zu 45 Prozent voll, zu 43,7 Prozent voll? Warum bezeichnen sie ihre Betreuungserfahrung mit mir als einen «langen Abschied»?
Ich habe einige kognitive Fähigkeiten verloren. Ich bin ein schlechterer Organisator, Fahrer und Scheckaussteller als zuvor. Ich habe einige zwischenmenschliche Fähigkeiten verloren. Ich bin bisweilen verbal mehr als nur ein wenig aggressiver als vor der Krankheit. Manchmal missverstehe ich, was Menschen meinen. Schließlich habe ich einiges von meiner Erinnerungsfähigkeit verloren. Ich vergesse. Ich vergesse, was ich vergaß. Diese Verluste sind für mich so etwas wie der Verlust einer Gliedmaße. Es gibt Vorrichtungen und Strategien, die mir helfen können, den Verlust an Funktionen zu kompensieren, die die verlorene Gliedmaße hatte, bevor ich sie verlor. Ich kann lernen, wie ich die Defizite kompensiere.
Der Verlust von Funktionen hat uns indessen als menschliche Wesen nicht verändert. Wir sind noch immer Richard und Carlos. Aber wir brauchen die Hilfe von Fachkräften, Betreuungspersonen und Freunden, um die Verluste unserer Funktionalität so gut es gehtzu kompensieren. Was wir nicht brauchen, ist, dass andere von uns denken, uns würde etwas fehlen. Wir brauchen immer noch, was jeder braucht. Unser Menschsein. Unser Bedürfnis, geliebt und als das akzeptiert zu werden, was wir sind. Unser Bedürfnis nach Würde und Privatsphäre, nach einem eigenen Selbstwertgefühl und danach, jeden Augenblick unseres Lebens, vor allem heute, zu verstehen und wertzuschätzen.
Wir sind verwandte Seelen, die eine chronische Behinderung gemeinsam haben. Wir sind dem Tod nicht näher als jedermann sonst auf diesem Planeten. Wenn er kommt, kommt er. Deshalb schließe ich mich Ihrer Bitte an, andere mögen immer wenn sie uns sehen «Guten Tag» statt «Auf Wiedersehen» sagen.
Richard
33. Wie kann ich die Hoffnung am Leben halten?
Lieber Richard,
jetzt, wo die Demenz meines Mannes an ihr unvermeidliches Ende gekommen ist, habe ich begonnen, die Hoffnung zu verlieren. Als Christin habe ich stets auf eine bessere Zukunft gehofft. Jetzt bin ich nicht mehr so sicher. Kann man ohne Hoffnung überleben?
Danke für Ihren Rat.
Isabella M.
Hallo!
Das Leben sollte nicht nur eine Frage des Überlebens sein. Leben bedeutet für mich, jeden Augenblick so gut es geht auszuleben. Ich möchte nicht den Rest meines Lebens überleben. Ich möchte es leben. Vor etwa anderthalb Jahren gab ich auf zu hoffen, morgen würde besser als heute. Ich gab die Hoffnung auf, man würde ein Heilverfahren gegen die Alzheimer-Krankheit finden, das mich heilen würde. Ich gab es auf zu hoffen, die Krankheit würde plötzlich aufhören, in meinem Kopf weiter voranzuschreiten. Ich gab die Hoffnung auf, mein Leben würde sich verbessern. Ich gab sogar auf zu hoffen, mein Leben würde heute besser als gestern.
Als ich mich das erste Mal einer Gruppe von Personen mit der Diagnose Demenz anschloss, war die Krankheit bei den meisten weiter fortgeschritten als bei mir. Niemand von ihnen rang mit der Krankheit oder den Betreuungspersonen. Auch sie schienen die Hoffnung aufgegeben zu haben, aber sie schienen Gefallen an ihrem Leben zu finden. Natürlich wünschten sie sich die Krankheit nicht.
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