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Halloween

Halloween

Titel: Halloween Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stewart O'Nan
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Danielles Dad schläft auf dem Rücken. Danielles Schwester Lisa schläft in Danielles Zimmer (ein bisschen unheimlich, selbst mit der neuen Tapete). Danielles Schwester Tracy schläft jetzt in ihrem eigenen Zimmer und vermisst Lisa, verlangt, dass die Tür des Wandschranks geschlossen wird.
    Toes Mom schläft allein. In Northbrook, Illinois, wo er geschäftlich ist, schläft Toes Stiefvater in einem Best Western und dreht sich auf einem steinharten Kissen um, der Wecker (auf sechs Uhr eingestellt) am Nachttisch festgeschraubt.
    Tims Mom schläft und träumt, sie ist am Strand, ein sonniger Tag, die niedrigen Wellen brechen sich, und Tim läuft mit einem Eimer rum (sie weiß, dass es ein Traum ist, denn er kann nicht so jung sein, und es ist auch keine Erinnerung). In seinem eigenen Doppelbett schläft Tims Dad, ohne zu träumen.
    Tim sitzt bei geschlossener Tür im Dunkeln in seinem Zimmer, die Augen offen, der Kopf leer wie ein Highway. Am Himmel pflügt ein kleines Flugzeug durch die Wolken. So muss sichDylan Klebold gefühlt haben, denn er wusste, dass er am nächsten Tag in die Schule gehen und nicht mehr nach Hause kommen würde. Es ist anders und doch genauso. Tim will nicht drüber nachdenken, sondern es einfach tun, es hinter sich bringen.
    (Du willst es nicht tun, sagt Danielle neben ihm, aber sie weiß es besser. Was kann sie schon sagen? Er glaubt, dass er es für sie tut, für uns. Wie überzeugt man jemanden davon, dass er bei der einzigen Sache auf der Welt, deren er sich sicher ist, Unrecht hat?)
    Er sollte schlafen. Wann er letztes Jahr ins Bett gegangen ist, weiß er nicht mehr, aber es war nicht so spät. Wenn er es richtig machen will, muss er wachsam sein, früh aufbrechen.
    Er braucht uns nicht, also lassen wir, ich und Toe, Danielle bei ihm und gehen raus, den Flintlock Drive entlang. Die Straßenlaternen stehen weit auseinander, und wir unterhalten uns nicht. Ich brauche dir nicht zu sagen, dass er an sie denkt, dass es ihn zerfrisst wie eine Krankheit, egal, ob es wirklich ist oder er sich das Ganze bloß einbildet. (Liegt es daran, dass wir noch jung sind, dass Toe nie richtig verliebt war? Spielt es gar keine Rolle, dass sie tot ist? Aber dann wäre es doch keine echte Liebesgeschichte, oder? Wo wären wir, wenn die Liebe mit dem Tod endete?)
    Wir kommen an die Straßenecke, wo der Schulbus Tim immer abgesetzt hat, und biegen in den Yorkshire Drive. Auf der Straße liegen schon kaputte Kürbisse.
    O Mann, sagt Toe. Das ist doch völlig daneben. Sie hätten wenigstens warten können, bis es vorbei ist.
     
    Entkräftet, sich allmählich erholend (seine Eier ein dumpfer Schmerz, der Eisbeutel ganz wässrig), kann Brooks nicht widerstehen. Die Nacht zermürbt ihn, und eine Stunde vor Sonnenaufgang schleicht er auf dem Flintlock Drive an Tims Haus vorbei und kontrolliert, ob der Jeep da ist.
    Er ist da, teilt sich die Einfahrt mit einem Basketballring.Brooks hat die Scheinwerfer an und fährt so langsam, als wäre er auf Streife. In der Straße ist es still, alle schlafen sich aus wegen morgen. (Was soll ihn daran hindern, die Einfahrt raufzuschleichen, die klapprige Tür zu öffnen, ins Innere zu greifen, die Motorhaube zu entriegeln und die richtigen Kabel rauszuziehen? Aber er weiß natürlich nicht Bescheid.) Er weiß nicht mal, warum er hier ist.
    Er glaubt, es sind Schuldgefühle, aber wenn Melissa Recht hat – und er gibt zu, dass das sein könnte –, ist es Besessenheit, was bei einem Polizisten noch unzulässiger ist. Und was, wenn Melissa nicht weit genug gedacht hat, wenn es Wahnsinn ist? Das ist Brooks’ größte Angst, noch wirklicher, weil es nicht in der Familie liegt und er die Schuld nicht auf sein Erbgut schieben kann. Eine brabbelnde Tante, die im Norwich State Hospital weggeschlossen ist, könnte ihm als Ausrede dienen, aber nein, das hat er sich selbst zuzuschreiben.
    Morgen sollte er Gram besuchen.
    Er wird nur Zeit haben, wenn er früh aufsteht – falls der Chef ihm seine Schicht nicht streicht.
    Wie halb Avon heutzutage ist der Flintlock Drive eine Sackgasse; oben an der Wendestelle dreht Brooks – zwei weitere Basketballringe, ein umgestoßenes Hockeytor aus Bretterresten –, und wie immer fallen ihm als einfachste Lösung ihrer Probleme Kinder ein, zu spät, um ihre Ehe zu retten, und außerdem unmöglich. Das eine Mal, als sie über Adoption nachdachten, gab es mehr Streit, als sie je gehabt hatten, beide empfindlich wegen ihres Versagens (nicht bloß ihrer

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