Halloween
abreißen, es zusammengefaltet zum Fettaufsaugen auf einen Teller legen (wie meine Mom, wie alle Moms) und die Packung mit dem Rosinenbrot öffnen, um Toast zu machen, aber im Moment steht sie mit ausdruckslosem Gesicht da, ohne einen Gedanken im Kopf. Der Speck zischt. Autopilot – nicht schon wieder. Auf die Art entfliehen ihr die Tage, oder umgekehrt. Sie fragt sich, ob auch alle anderen ihr Leben zu einer Reihe alltäglicher Verrichtungen machen, mit denen sie fertig werden können. Nur wenn es nicht anders geht. Die Perlmans (meine Familie) und Stones (die von Danielle) tun es bestimmt.
(Ich kann’s nicht ausstehen, sagt Toe, dass sie mich immer übergeht.
Und wir sagen nicht: weil es deine Schuld war. Wir sagen: Ja, das ist zum Kotzen.)
Irgendwo, denkt sie, leben die Leute anders. Sie hat mal anders gelebt.
Ein Jahr. Ist das möglich? Es kommt ihr vor, als hätte sie sich schon ein Leben lang um Kyle gekümmert. Wie viel mehr hat sie noch zu geben? Doch sie wird es bereitwillig tun. Sie ist dankbar, dass er noch bei ihnen ist, das vergisst sie keinen Augenblick lang.
Sie erinnert sich an die Zeit vor zwanzig Jahren, als sie mit Kelly schwanger war, daran, wie erleichtert sie waren, als die Fruchtwasseruntersuchung ergab, dass alles normal war. Nicht dass es irgendetwas geändert hätte, egal, was passiert wäre, sie hätten Kelly geliebt, aber in dem Moment, als ihnen das Ergebnis mitgeteilt wurde, fand sie, dass sie mehr Glück hatten, als sie verdienten. Jetzt, wo das Gegenteil eingetreten ist, wie kann sie sich da beklagen?
Kyles Dad kommt ohne Krawatte herunter, der Hemdkragen offen. Er geht in Hemdsärmeln nach draußen, um den
Courant
zu holen, schließt die Tür, damit es warm bleibt (hinter ihm scheppert der Messingklopfer – ein Geräusch, das sie nicht ausstehen kann), setzt sich dann auf denselben Platz wie jeden Morgen und sortiert die einzelnen Zeitungsteile nach ihrer Wichtigkeit. Statt ihn in seinem Trott zu stören, bereitet sie ihm das Frühstück zu, verteilt Fett über den Eiern, damit sie an den Rändern hauchdünn werden, steckt sein Brot in den Toaster, damit es genau im richtigen Moment fertig ist. Sie ist weder wütend auf ihn noch enttäuscht, denn es überrascht sie nicht. Er hat klar gemacht – mit allem, was er nicht gesagt, nicht getan hat –, dass er sich nicht an den Tag erinnern möchte, dass sie jedoch tun kann, was sie will.
«Danke», sagt er, als sie den Teller vor ihn stellt – sein erstes Wort zu ihr. Sie weiß, dass er es morgens gern dabei belassen würde, dass er sich wünscht, das hier wäre nicht sein Leben. Sie hatten vorgehabt, nach Cape Cod zu ziehen, sobald Kyle aufs College gehen würde. Voller Vorfreude hatten sie über ihre Zukunft gesprochen, über den steinernen Kamin im Arbeitszimmer, die Verandaschaukel mit Blick auf die Dünen, darüber, wie leer die Strände um diese Jahreszeit sein würden. Jetzt bleiben sie auf unbestimmte Zeit hier, ihre Pläne abhängig von Kyle. Niemand ist schuld, und doch wirkt das Schweigen wie ein stummer Vorwurf, sie findet, sie sollte etwas tun können, um alles wieder in Ordnung zu bringen, doch inzwischen weiß sie, dass sie das nicht kann. Keiner von beiden kann das Problem beheben, was bringt es dann – und darauf will er hinaus –, darüber zu reden?
Sie steht einen Augenblick vor ihm, sieht zu, wie er, vertieft in die Titelseite, sein Frühstück isst, und fragt sich, was sie will. Dass er redet, zur Kenntnis nimmt, was sie verloren haben? Das hat er getan und dann weitergemacht, vielleicht nimmt sie ihm genau das übel – dass er so tut, als würde er sich damit abfinden. Dennman kann sich damit nicht abfinden. Sie wird sich nie damit abfinden.
«Schmeckt sehr gut», sagt er. «Danke.»
«Du weißt, dass ich heute hinfahre.»
Er will es ja nicht anders, sitzt da, als wäre alles in Ordnung, als wäre es ein ganz normaler Tag – als würden sie ein ganz normales Leben führen.
«Ich hab’s mir gedacht», sagt er und sieht sie an, blickt von der Zeitung auf und ist ihr gegenüber geduldig, aufmerksam.
«Ich nehme an, du willst nicht mitkommen.»
«Wann wolltest du hinfahren?», fragt er, als würde ihm eine bestimmte Uhrzeit besser passen – als könnte er seine Pläne ändern und sich ihr anschließen. Sie kann sehen, dass er sie nur besänftigen will; er hat nicht das Bedürfnis zu fahren, er denkt bloß, er sollte sie unterstützen.
«Vergiss es», sagt sie.
«Nein, sag mir, wann», erwidert
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