Halo 01 - Die Schlacht um Reach
hielten sie nach unten gedrückt.
Sechs Jahre alt… das konnten sie nicht verarbeiten. Und doch musste sie es ihnen so einfach erklären, dass sie es verstanden. Dr. Halsey machte einen vorsichtigen Schritt nach vorne. »Ihr seid eingezogen worden, um zu dienen«, erklärte sie. »Man wird euch ausbilden…
und wir werden das Beste aus euch formen. Ihr werdet die Erde und ihre Kolonien schützen.«
Eine Hand voll Kinder saß plötzlich gerader, wirkte nicht mehr nur verängstigt, sondern auch interessiert. Dr. Halsey entdeckte John, er trug die Nummer 117 – den ersten Jungen, den sie als geeigneten Kandidat bestätigt hatte. Er furchte verwirrt die Stirn, hörte jedoch konzentriert zu.
»Das wird jetzt schwer zu verstehen sein, aber ihr könnt nicht zu euren Eltern zurückkehren.«
Die Kinder wurden unruhig. Ihre Trainer hielten sie an den Schultern fest.
»Dieser Ort wird eure neue Heimat sein«, sagte Dr. Halsey so sanft, wie es ihr nur möglich war. »Eure Mitschüler sind jetzt eure Familie. Die Ausbildung wird schwer sein. Es liegen viele Härten auf eurem Weg, aber ich weiß, dass ihr es alle schaffen werdet.«
Patriotische Worte, aber sie klangen hohl in ihren Ohren. Sie hatte ihnen die Wahrheit sagen wollen, aber wie hätte sie das tun können?
Nicht alle würden es schaffen. »Akzeptable Verluste«, hatte ihr der Repräsentant des Navy-Geheimdiensts versichert. Nichts davon war akzeptabel. »Ruht euch jetzt aus«, sagte Dr. Halsey zu ihnen. »Wir beginnen morgen.«
Sie wandte sich an Mendez. »Begleiten Sie die Kinder… die Kadetten zu ihrer Kaserne. Geben Sie ihnen zu essen, und bringen Sie sie zu Bett.«
»Ja, Ma’am«, sagte Mendez. »Heraustreten!«, rief er dann. Die Kinder standen auf Drängen ihrer Trainer auf. John 117 erhob sich, hielt den Blick jedoch weiter auf Dr. Halsey gerichtet und wirkte völlig ruhig. Viele der anderen machten einen regelrecht geschockten Eindruck, bei einigen zitterten die Lippen, aber keines der Kinder weinte. Sie waren tatsächlich die geeigneten Kandidaten für dieses Projekt. Dr. Halsey hoffte, dass sie, wenn der Tag ihrer eigentlichen Bewährung kommen würde, wenigstens halb so viel Mut aufbrachten.
»Beschäftigen Sie die Kinder ausreichend, sobald sie morgen aufwachen«, sagte sie Mendez und Dejä. »Sie sollen keine Zeit bekommen, um zu begreifen, was wir ihnen gerade angetan haben.«
SEKTION II
TRAINING
KAPITEL 4
0530 Stunden, 24. September 2517
(militärischer Kalender)
Epsilon-Eridani-System, Militärkomplex Reach,
Planet Reach
»Hoch, Kadett!«
John rollte sich in seinem Bett zur Seite und schlief wieder ein. Es war ihm dunkel bewusst, dass er sich nicht in seinem Zimmer befand und dass noch andere Leute anwesend waren.
Ein Schock durchzuckte ihn – von seinen nackten Füßen bis in seine Schädeldecke hinauf. Er schrie vor Überraschung auf und fiel aus dem Bett. Er schüttelte Desorientierung und Halbschlaf ab und kam auf die Füße.
»Ich sagte: hoch, Kadett! Weißt du, wo hoch ist?«
Ein Mann in einer Camouflage-Uniform blickte auf John herab. Seine Haare waren kurz rasiert und an den Schläfen grau. Seine dunklen Augen wirkten nicht menschlich – sie waren zu groß und zu schwarz und blinzelten nicht. In einer Hand trug er einen silbernen Stock, Funken sprühten heraus.
John wich zurück. Er hatte vor nichts Angst. Nur kleine Kinder hatten Angst… aber sein Körper machte instinktiv einen großen Bogen um den Gegenstand.
Dutzende anderer Männer weckten den Rest der Kinder. 74 Mädchen und Jungen schrien und sprangen aus den Betten.
»Ich bin Chief Petty Officer Mendez!«, brüllte die Gestalt neben John.
»Die anderen Männer sind deine Ausbilder. Du wirst immer exakt das tun, was wir dir sagen.«
Mendez zeigte zum Ende der rechteckigen Kaserne. »Dort sind die Duschen. Ihr wascht euch jetzt und kommt dann zurück, um euch anzuziehen.« Er öffnete die Kiste am Ende von Johns Bett und zog graue Sportkleidung heraus. John beugte sich vor und sah, dass sein Name auf die Brust gedruckt war: JOHN-117.
»Nicht trödeln, beeil dich!« Mendez tippte mit dem Stock zwischen Johns Schulterblätter.
Ein Blitz schoss durch Johns Oberkörper. Er fiel auf das Bett und schnappte nach Luft.
»Das ist kein Scherz! Los, los, LOS!«
John bewegte sich. Er konnte nicht einatmen, aber er rannte trotzdem und presste die Hand gegen die Brust. Als er die Dusche erreichte, gelang ihm der erste japsende Atemzug. Die anderen Kinder wirkten
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