Halo 01 - Die Schlacht um Reach
verängstigt und desorientiert. Sie alle zogen ihre Nachthemden aus und traten unter eine der Duschen, wo sie sich mit lauwarmem Seifenwasser und anschließend mit einem eiskalten Strahl wuschen. Er lief zu seinem Bett und zog seine Unterwäsche, dicke Socken, die Sportkleidung und ein Paar Kampfstiefel an. Alles saß perfekt.
»Raus, Kadetten«, verkündete Mendez. »Dreifache Zeit… marsch! «
John und die anderen liefen aus der Kaserne auf einen dünnen Grasstreifen. Die Sonne war noch nicht aufgegangen, und am Horizont zeichnete sich ein roter Streifen ab. Das Gras war taubedeckt, feucht. Es gab Dutzende von Baracken, aber niemand sonst hielt sich draußen auf. Zwei Jets zogen brüllend über sie hinweg und schossen hoch in den Himmel. Weit entfernt hörte John ein metallisches Knacken.
Chief Petty Officer Mendez bellte: »Ihr stellt euch in fünf gleich langen Reihen auf. Fünfzehn Kadetten in jeder.« Er wartete einige Sekunden, während sie sich verteilten. »Macht die Reihen gerade. Kannst du bis fünfzehn zählen, Kadett? Tritt drei Schritte zurück.«
John stellte sich in die zweite Reihe.
Während er die kalte Luft atmete, begann er aufzuwachen. Er fing an sich zu erinnern. Sie hatten ihn mitten in der Nacht geholt. Sie hatten ihm etwas injiziert, und er hatte lange geschlafen. Dann hatte die Frau, von der er die Münze bekommen hatte, gesagt, er könne nicht zurück und würde seine Eltern nie mehr wiedersehen…
»Ihr Hampelmänner!«, brüllte Mendez. »Macht schon! Zählt bis hundert. Fertig. Los!« Der Offizier begann mit der Übung, und John folgte seinem Beispiel. Ein Junge weigerte sich – für einen winzigen Moment. Ein Trainer war sofort bei ihm. Der Stock schlug in den Magen des Jungen. Das Kind krümmte sich zusammen. »Mach weiter mit der Übung, Kadett«, zischte der Trainer. Der Junge richtete sich auf und begann zu springen. John hatte noch nie so viele Hampelmänner in seinem Leben gemacht. Seine Arme, sein Bauch und seine Beine brannten. Schweiß lief ihm über den Rücken.
»Achtundneunzig, neunundneunzig, hundert.« Mendez machte eine Pause und atmete tief ein. »Sit-ups!« Er ließ sich ins Gras fallen. »Zählt bis hundert. Versucht nicht zu bescheißen.«
John warf sich auf den Boden.
»Der erste Kadett, der aufgibt«, sagte Mendez, »Muss zweimal um das Lager laufen und darf dann zweihundert Sit-ups machen. Fertig… und zählen! Eins… zwei… drei…«
Liegestützen folgten, dann Kniebeugen.
John übergab sich, aber das verschaffte ihm keine Pause. Ein Trainer war nach ein paar Sekunden bei ihm. John machte weiter.
»Beine anheben.« Mendez arbeitete wie eine Maschine – als wären sie alle Maschinen.
John konnte nicht mehr, aber er wusste, dass er wieder den Stock zu spüren bekommen würde, wenn er aufgab. Er versuchte es, durchzuhalten. Seine Beine zitterten und reagierten nur langsam.
»Pause«, rief Mendez schließlich. »Trainer, holt Wasser.«
Die Trainer zogen Karren voller Wasserflaschen nach draußen. John griff nach einer und trank gierig. Das Wasser war warm und leicht salzig. Es störte ihn nicht. Es war das beste Wasser, das er je getrunken hatte. Schwer atmend ließ er sich ins Gras fallen.
Die Sonne war jetzt aufgegangen. Es war warm. Er setzte sich auf die Knie und ließ den Schweiß an sich herabrinnen wie einen nicht mehr versiegenden Regen. Langsam stand er auf und betrachtete die anderen Kinder. Sie hockten auf dem Boden, hielten sich die Seiten, ohne etwas zu sagen. Ihre Kleidung war schweißnass. John sah niemanden aus seiner alten Schule. Er war also allein unter Fremden. Er fragte sich, wo seine Mutter war und was…
»Ein guter Anfang, Kadetten«, sagte ihnen Mendez. »Jetzt laufen wir. Auf die Beine!«
Die Trainer zückten ihre Stöcke und trieben die Kadetten vor sich her. Sie trabten auf einem Kiesweg durch das Lager, vorbei an weiteren rechteckigen Baracken. Es schien ewig zu dauern – sie liefen einen Fluss entlang, dann über eine Brücke, vorbei an einer Asphaltbahn, von der Jets aufstiegen. Hinter der Startbahn führte Mendez sie auf einen gewundenen Steinpfad. John wollte darüber nachdenken, was mit ihm geschehen war, wie er hierher gekommen war und was als nächstes passieren würde – aber er konnte keinen klaren Gedanken fassen. Er fühlte nur das Blut, das durch seinen Körper wallte, den Schmerz in seinen Muskeln und den Hunger. Sie liefen auf einen Platz voller glatter Steine. Von einer Stange in der Mitte wehte die
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