Hals über Kopf: 9. Fall mit Tempe Brennan
etwas.
»Auf dieser Seite haben wir die GMC-Ambulanz, die sich um Junkies, Verrückte und Obdachlose kümmert. Hin und wieder verschwinden ein paar Patienten, kein Mensch nimmt Notiz davon. Man braucht ein kleines Flugzeug, eine Kühlbox, einen Piloten, der nicht zu viele Fragen stellt oder am Geschäft beteiligt ist. Dann hat man einen erfahrenen Chirurgen in einer Klinik an einem isolierten Ort, die sich um diejenigen kümmert, die Organe brauchen und bereit sind, einen beträchtlichen Preis dafür zu zahlen.«
»Lester Marshall und Dominic Rodriguez besuchten dieselbe medizinische Fakultät und verschwanden ungefähr zur selben Zeit von der Bildfläche«, sagte ich. »Rodriguez ist Chirurg.«
Ryan nahm den Faden auf. »Zwei alte Kommilitonen tun sich wieder zusammen und hecken ein Geld-für-Organe-Komplott aus. Marshall kommt hierher. Rodriguez geht nach Puerto Vallarta und baut dort ein als Kurklinik getarntes Transplantationszentrum auf.«
»Vielleicht hatte Rodriguez San Diego aber auch verlassen, um in Mexiko zu praktizieren. Es könnte ja sein, dass Marshall irgendwie in Schwierigkeiten geriet und nach Süden ging, und dort trafen die beiden sich wieder«, sagte ich.
»Marshall entnimmt die Organe, Rodriguez setzt sie ein. Die Spender beklagen sich nicht, weil sie entweder bezahlt wurden oder tot sind. Die Empfänger beklagen sich nicht, weil das, was sie getan haben, illegal ist. Und bei hunderttausend pro Deal kann man sich eine Menge Margaritas leisten.«
»Die ganze Zeit werden illegale Drogen aus Mexiko in die Staaten geflogen«, sagte ich. »Warum sollten Organe nicht den umgekehrten Weg nehmen? Sie sind klein, leicht zu transportieren, und der Profit ist gigantisch. Das würde die Kerben, das Erdrosseln, die versteckten Leichen erklären.«
»Das Geschäft von Burke und Hare auf anderer Ebene.«
Eine Möwe landete auf dem Balkongeländer. Boyd sprang mit wedelndem Schwanz auf das Fliegengitter zu. Der Vogel hob wieder ab. Der Chow drehte sich um und schaute uns an. Ryan und ich schauten den Chow an und hatten denselben Gedanken. Ryan sprach ihn aus.
»Was wir bis jetzt haben, ist reine Spekulation. Wir brauchen mehr Informationen über Rodriguez, müssen herausfinden, ob der Kerl wirklich in Mexiko ist. Wo Marshall diese fünf fehlenden Jahre verbrachte. Und warum. Und wir brauchen Informationen über Piloten und Flugzeuge in der Charlestoner Gegend.«
»Boote?«
Ryan schaute mich verwirrt an.
»Es kann ja sein, dass Willie Helms’ Leiche übers Wasser auf Dewees Island gebracht wurde. Unique Montague wurde im Meer versenkt. Ich glaube nicht, dass der Killer für diese Ausflüge eine Fähre benutzt hat.«
»Hat denn nicht alle Welt in dieser Stadt ein Boot?«
Ich überlegte einen Augenblick. »Wir sollten uns Cruikshanks Notizen noch einmal vornehmen. Du glaubst, dass einige der Buchstaben Initialen darstellen. Da hast du wahrscheinlich Recht. Wie wär’s, wenn wir diese Buchstabenkombinationen mit den anderen Charlestoner Vermissten abgleichen? Wenn wir eine Entsprechung finden, bringt das diesen Vermissten mit der GMC-Ambulanz in Verbindung.«
»Ausgehend von den Daten in den Notizen, beobachtete Cruikshank das Haus nur im Februar und im März dieses Jahres.«
Mein Hirn lief jetzt auf Hochtouren. »Also gut. Ich habe die Vermisstendaten von Emma. Ich glaube, sie decken die Zeitspanne von Cruikshanks Observation ab. Ich suche das Datum raus, an dem jeder Vermisste zum letzten Mal gesehen wurde, und stelle eine Liste zusammen. Vielleicht können wir diese Liste mit Flugplänen abgleichen, die Piloten von kleinen Maschinen eingereicht haben.«
»Das wäre eine ziemlich umfangreiche Polizeiaktion, vor allem, wenn es um mehr als einen Flugplatz in der Charlestoner Gegend geht. Außerdem reichen Schmuggler nur sehr selten Flugpläne ein.«
»Okay. Die entsprechenden Daten könnten mit Zeiten korrelieren, an denen eine Maschine von ihrem Stellplatz geholt wurde.«
»Wenn man davon ausgeht, dass das Flugzeug nicht irgendwo in einer Scheune versteckt ist. Wenn jemand keine Flugpläne einreicht, dann meldet er sich auch auf keinem Flugplatz an oder ab.«
Ein plötzlicher Einfall. »Was ist mit der GMC? Die hat doch ein Flugzeug. Ist es möglich, dass diese ganze Geschichte über Marshall hinausgeht? Herron und sein Personal weigerten sich, auf Helenes Beschwerden einzugehen. Und dann war sie plötzlich verschwunden.«
»Ich dachte, Helene hatte nur einen Verdacht in Bezug auf die
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