Halskette und Kalebasse
Besuchskarten in großen Buchstaben seinen neuen Namen >Doktor Liang Mo<. Dann steckte er sie in seinen Ärmel, nahm das Schwert und die Kalebasse und ging nach unten. Er hatte Lust, sich die Stadt anzusehen.
In der Halle stand Herr Wei am Empfangstisch und sprach leise mit dem Gehilfen. Der Gastwirt ging rasch auf den Richter zu. Nachdem er sich tief verbeugt hatte, sagte er mit seiner heiseren Stimme:
»Ich bin Wei Tscheng, der Besitzer dieser Herberge, Doktor. Soeben war ein Bote für Sie da. Da er seinen Namen nicht nannte, bat ich ihn, draußen zu warten. Ich wollte gerade meinen Gehilfen zu Ihnen hinaufschicken, um Sie zu benachrichtigen.«
Richter Di lächelte insgeheim. Das mußte eine Botschaft von Hauptmann Sju sein. Er sah seine Stiefel zwischen dem anderen Schuhwerk bei der Tür stehen, schlüpfte hinein und ging nach draußen. Ein großer Mann in schwarzer Jacke und weiten, schwarzen Hosen lehnte mit gekreuzten Armen an einer Säule. Seine Jacke und seine runde Kappe waren rot gesäumt.
»Ich bin Doktor Liang. Was kann ich für Sie tun?« »Eine kranke Person wünscht Sie zu konsultieren, Doktor«, erwiderte der andere kurz. »Dort drüben in der Sänfte.«
Während er überlegte, daß die Botschaft des Hauptmanns in der Tat sehr geheim sein müsse, folgte der Richter dem Mann zu der großen, schwarzverhangenen Sänfte ein Stückchen weiter die Straße hinunter. Die sechs Träger, die mit dem Rücken an der Wand kauerten, erhoben sich sofort. Sie trugen die gleiche Kleidung wie ihr Anführer. Richter Di zog den Türvorhang zur Seite und stand stocksteif. Er fand sich Auge in Auge mit einer jungen Frau. Sie trug einen langen, schwarzen Umhang mit einer schwarzen Kapuze, die die Blässe ihres anmutigen, aber stolzen Gesichts hervorhob.
»Ich... ich muß Ihnen mitteilen, daß ich keine Frauenkrankheilen behandle«, murmelte er. »Ich empfehle Ihnen deshalb, sich an...«
»Kommen Sie herein, und ich werde es Ihnen erklären«, unterbrach sie ihn kurzerhand. Sie rückte zur Seite, um ihm Platz zu machen. Sobald sich der Richter auf die schmale Bank gesetzt hatte, wurde der Türvorhang von außen zugezogen. Die Träger hoben die Schäfte der Sänfte auf ihre Schultern und eilten in schnellem Trab davon.
Viertes Kapitel
»Was hat dieser Unsinn zu bedeuten?« fragte Richter Di kühl.
»Es bedeutet, daß meine Mutter Sie zu sehen wünscht«, sagte das Mädchen schnippisch. »Ihr Name ist Hortensie; sie ist die Oberhofdame Ihrer Hoheit.«
»Ist Ihre Mutter krank?«
»Warten Sie, bis wir draußen im Wald sind.«
Der Richter beschloß zu warten, bis er mehr über ihren geheimnisvollen Auftrag erfahren hätte, bevor er diese vorlaute junge Dame in ihre Schranken weisen würde. Die Träger verlangsamten ihre Geschwindigkeit. Es war jetzt sehr still draußen.
Nach ungefähr einer Viertelstunde zog das Mädchen plötzlich den Fenstervorhang auf. Sie bewegten sich auf einer von hohen Kiefern gesäumten Waldstraße. Mit einer nachlässigen Geste nahm das Mädchen die Kapuze ab. Ihr Haar war zu einer einfachen, aber eleganten Frisur hochgesteckt, in der vorn ein goldener, filigrangeschmückter Kamm saß. Ihre kleine, leicht aufwärts deutende Nase verlieh ihrem Gesicht einen kecken Ausdruck. Als sie sich an den Richter wandte, sprach sie mit der gleichen herrischen Stimme:
»Ich muß Ihnen hier und jetzt sagen, daß ich nicht weiß, worum es bei der ganzen Sache geht! Ich befolge nur Anweisungen. Sie brauchen mich also nicht mit Fragen zu belästigen.« Sie griff unter die Bank und zog ein flaches Kästchen aus rotlackierter Schweinehaut hervor, eines, in dem Ärzte für gewöhnlich ihre Rezepte aufbewahren. Sie setzte es auf ihren Schoß und fuhr fort: »In diesem Kästchen finden Sie ein Bündel Blankorezepte, ein Dutzend Ihrer Namenskarten und...«
»Ich habe mir bereits Karten angefertigt, danke«, sagte Richter Di kurz. »Macht nichts. Dann sind da noch einige Heftpflaster und sechs Faltpapiere, die ein ganz harmloses Pulver enthalten. Waren Sie jemals in der Stadt Wan-hsiang, achtzig Meilen flußaufwärts?« »Ich bin einmal da durchgekommen.«
»Gut. Hinter dem Tempel des Kriegsgottes wohnt der Ehrenwerte Kuo, Sekretär der Palastarchive im Ruhestand. Er kannte Sie aus der Hauptstadt, und er hat Sie in der vergangenen Woche zu sich gerufen, weil er an Asthma leidet. Sie befinden sich jetzt auf dem Weg zurück in die Hauptstadt. Können Sie das alles behalten?«
»Ich will's versuchen«,
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