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Halskette und Kalebasse

Halskette und Kalebasse

Titel: Halskette und Kalebasse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert van Gulik
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Sänfte zu Boden gesetzt. Ein Riese in schwerer Rüstung und mit einer Pickelhaube, die lange bunte Federn zierten, forderte sie zum Aussteigen auf. Sein mächtiger Kollege schlug mit dem Griff seines blanken Breitschwerts an ein Doppeltor aus gehämmertem Eisen. Der Richter erhaschte einen Blick auf einen gepflasterten Hof, umgeben von einer in hellem Purpurrot bemalten Mauer; dann schwang das Eisentor auf, und ein fetter Mann gab ihnen das Zeichen einzutreten. Er war in ein langes, goldbesticktes Gewand gekleidet und trug einen sich nach oben verjüngenden schwarzen Lackhut. Sein rundes, friedliches Gesicht, in dem eine breite, fleischige Nase saß, war völlig haarlos. Der dickleibige Eunuch nickte dem Mädchen vertraulich zu und wandte sich dann mit einer hohen, piepsigen Stimme an den Richter:
    »Seine Exzellenz der Obereunuch wünscht Sie zu sehen, bevor Sie die Goldene Brücke überqueren, Doktor.« »Meine Mutter leidet Schmerzen«, warf das Mädchen rasch ein. »Der Doktor muß sie sofort sehen, denn ...«
    »Seiner Exzellenz Befehle waren eindeutig«, sagte der mondgesichtige Mann ruhig. »Sie werden so gütig sein, hier zu warten, Fräulein. Dort entlang, mein Herr.« Er wies einen langen, schweigenden Gang hinunter.

Fünftes Kapitel
     
     
    Erschrocken begriff Richter Di, daß ihm nur eine halbe Minute blieb, um einen Entschluß zu fassen. Länger würde es nicht dauern, die golden lackierte Tür am Ende des Ganges zu erreichen.
    Bisher hatte ihn die Vorschriftswidrigkeit der Situation nicht beunruhigt, denn die Person, die ihn herbeizitiert hatte, schien sehr einflußreich und über seine wahre Identität von dem listigen Hauptmann Sju genauestens unterrichtet zu sein. Diese Person wünschte offenbar, den wirklichen Zweck seines Besuchs geheimzuhalten, und würde die volle Verantwortung dafür übernehmen, daß er den Palast unter Vortäuschung falscher Tatsachen betreten hatte. Doch hatte sein unbekannter Gönner wohl nicht damit gerechnet, daß der Obereunuch sich einmischen würde. Während der kommenden Unterredung müßte der Richter also entweder einen der höchsten Hofbeamten anlügen, was seiner Auffassung von staatlicher Pflichterfüllung zutiefst widersprach, oder aber die Wahrheit sagen, ohne auch nur im geringsten die Folgen eines solchen Schrittes abschätzen zu können. Die Wahrheit könnte einer guten Sache schaden, aber vielleicht auch einen bösen Plan vereiteln. Er gewann seine Fassung wieder. Wenn ein korrupter Höfling oder ein verdorbener Beamter ihn für einen schändlichen Zweck benutzen wollte, so bedeutete dies, daß er, der Richter, hinter den Idealen der Rechtschaffenheit und der Gerechtigkeit, denen er nachstrebte, zurückgeblieben war und damit vollauf den schändlichen Tod verdiente, der ihn erwartete, falls man seine richtige Identität entdecken würde. Diese Überlegung gab ihm seine innere Sicherheit zurück. Während der fettleibige Eunuch an die Tür klopfte, tastete Richter Di in seinem Ärmel nach einer der roten Besuchskarten, die er im >Eisvogel< geschrieben hatte.
    Gleich hinter der Tür kniete er nieder, wobei er die Karte ehrerbietig mit beiden Händen über seinen geneigten Kopf hielt. Jemand nahm die Karte, und er vernahm eine kurze, geflüsterte Unterhaltung. Dann sagte eine dünne Stimme gereizt:
    »Ja, ja, das weiß ich alles! Lassen Sie mich Ihr Gesicht sehen, Doktor Liang!«
    Als der Richter seinen Kopf hob, bemerkte er zu seinem Erstaunen, daß er sich nicht in einem prächtigen Büro befand, wie er erwartet hatte, sondern in der, so schien ihm, eleganten Bibliothek eines Gelehrten von erlesenem Geschmack. Rechts und links standen hohe Bücherschränke, beladen mit in Brokat gebundenen Bänden und Manuskriptrollen, und das weite Fenster im Hintergrund gab den Blick auf einen bezaubernden Garten frei, in dem eine verschwenderische Blumenpracht zwischen malerisch geformten Steinen blühte. Das breite Fensterbrett zierte eine Reihe Orchideen in farbigen Schalen aus feinstem Porzellan. Ihr zarter Duft erfüllte den stillen Raum. Neben dem Rosenholzschreibtisch saß ein alter Mann, zusammengesunken in einem riesigen Armstuhl aus geschnitztem Ebenholz. Er war in ein weites Gewand aus schimmerndem, steifem Brokat gehüllt, das wie ein Zelt von seinen schmalen Schultern herabfiel. Das fahle Gesicht mit dünnem, grauem Schnurrbart und schütterem Kinnbart erschien klein und zusammengedrückt unter der hohen, reich mit Goldfiligran verzierten, juwelenbesetzten

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