Haltlos
Berührungsängste kurz zurück, stand dann aber auf und folgte ihr trotz fehlendem Sinn eines Spaziergangs anstandslos. Cillian hatte seine Aktivitäten in den letzten Jahrhunderten darauf begrenzt, nur wesentliche Dinge zu unternehmen. Gesellschaftliche Anlässe wahrnehmen, aber nur, wenn es unabdingbar ist. An Vergnügungen oder gar Kino verlor er nach ein paar Jahrzehnten die Lust. Am Anfang war es noch spannend zu beobachten, wie der erste Film entstand, aber die Themen blieben meist die gleichen und er hatte das Gefühl, er kannte bereits jede Geschichte, die in den Filmen erzählt wurde. Er kam sich in solchen Momenten ziemlich alt vor und deshalb vermied er sie. „Bezahlst du in deinen Träumen nie deine offenen Rechnungen? So hätte ich dich gar nicht eingeschätzt.“ Ein Lächeln umspielte seine Lippen. Tessa fühlte sich zu ihm hingezogen. Und was sollte es schon. Es war ein Traum. In ihren Träumen konnte sie tun und lassen was sie wollte. Sie hatte Lust mit ihm zu flirten und warum auch nicht. Es würde sich niemand daran stören können. Tessa war sich sicher, dass es auf der ganzen Welt niemanden geben würde, der in einem seiner Träume nicht schon mindestens einmal jemanden getroffen hat, der gut aussah, nett war und mit dem heftig geflirtet wurde. Bei den meisten war es bestimmt der erste große Schwarm an der Schule. Und wer es hier und jetzt nicht zugeben wollte, der log, Ende. Sie gingen in einem Park spazieren, redeten über Gott und die Welt und lachten viel miteinander. Tessa fühlte sich an seiner Seite so unheimlich wohl. Wie schön wäre es, wenn er auch in der Realität existieren würde. Denn für Tessa war klar, dass es ihn niemals geben würde. Cillian blieb stehen und blickte Tessa fragend an. Sie war ein wenig verunsichert, was er von ihr wollte. „Was ist los mit dir?“ „Wie meinst du das?“ Ihr war nichts Ungewöhnliches an ihrem Verhalten aufgefallen. Bis eben hatte sie eine Menge Spaß gehabt und konnte fast vergessen, dass alles nur ein Traum war. „Tessa, du trinkst in letzter Zeit zu viel, du pfeifst auf deine Sicherheit und du -“ „Und ich was?“ fiel sie ihm barsch ins Wort. „Und, DU machst mit irgendwelchen Typen rum, die weit unter deinem Niveau liegen.“ Tessa wusste, dass ihm seine Worte durch ihr Unterbewusstsein gegeben wurden. „Oh mein Gott. Ich habe ja ein riesen Glück.“ Tessa lachte halb hysterisch. „Der „Mann meiner Träume“ ist auch noch auf reale Männer eifersüchtig.“ Ihr blieb nichts weiter zu sagen und deshalb schüttelte sie den Kopf. „Ich bin nicht eifersüchtig. Ich“, Cillian musste sich seine Gefühle jetzt eingestehen, wollte er Tessa erreichen. Er atmete tief durch, „Ich mache mir Sorgen um dich.“ Tess hielt im Schritt inne und sah ihn verstört an. Dann brach sie in ein befreiendes Gelächter aus. Cillian verstand nicht, was sie so belustigend an seiner Aussage gefunden hat. Tessa versuchte mit halb durch das Lachen verschluckten Worten seine Verwirrtheit zu klären, „Du bist echt gut. Du entspringst meinem Gehirn. Soll also heißen, du bist quasi ich und ich glaube auch mein Körper. Der muss sich gerade von letzter Nacht erholen und deshalb will mir mein Unterbewusstsein sagen, ich solle den Alkohol meiden. Klasse.“ Cillian hatte keine Lust mehr mit Tessa zu reden. Sie ist seiner Ansicht nach total durchgedreht. „Ich werde jetzt gehen.“ Und Cillian war weg. Tessa blickte sich noch ein paar Mal um, doch er tauchte nicht wieder auf. So sehr sie sich auch bemühte ihn wieder vor ihrem geistigen Auge erscheinen zu lassen, Nichts. Sie widmete sich sich selbst. Natürlich vollzog sie in den letzten Wochen einen großen Wandel. Ihr Verhalten widersprach allem, woran Tessa in den Jahren festgehalten hatte. Sie hatte so viele Enttäuschungen erleben müssen. Verrat, Betrug und Demütigung. Nie wieder wollte sie blauäugig und offenen Armes in ihr Verderben gehen. Sie übernahm die Rolle der anderen. Absorbierte deren schlechten Charakterzüge. Sie trank, log, nutzte aus und fühlte sich sogar noch gut dabei. Sie genoss es. In vollen Zügen kostete sie das Gefühl aus, endlich ein Stück der Macht zu besitzen, die andere Personen jahrelang über sie ausübten. Viel zu spät ging ihr das auf. Alle nutzen sie aus. Jeder einzelne. Mike, für seine dämliche Wette. Der Orden nutzte sie als Lockvogel aus und übertraf sich selbst in der internen Statistik von Reinigungsritualen, seit sie mit ihnen jagte. Selbst die Vampire
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