Haltlos
richtig. Erinnerst du dich noch an den Moment, als wir uns zum ersten Mal angesehen haben?“
Sie nickte und er sprach weiter: „Ich weiß selbst nicht ganz genau, was da passiert ist, aber ich vermute, dass wir in diesem Augenblick einander in die Seelen gesehen und unsere Träume ausgetauscht haben. Damit haben wir die erste Verbindung zwischen deinem und meinem Geist geschaffen. Wenn erst einmal eine solche Verbindung besteht, dann ist es viel einfacher in die Fenster zu sehen. Es ist fast so, als würdest du dich in einem Raum befinden, in dem sich hundert Leute unterhalten. Wenn du jemanden gut kennst, dann hörst du seine Stimme auch aus einem Stimmengewirr heraus.“
Dann erklärte er mit einem schiefen Grinsen: „Und außerdem – wenn man sehr viel unter Menschen ist, dann lässt auch so mancher Drache seine Vorsicht fallen. Meine Fenster standen offensichtlich mehr als einmal achtlos offen und ich muss mich wohl auch das eine oder andere Mal heraus gelehnt und gebrüllt haben.“
Sie grinste zurück, wurde aber gleich wieder ernst. „Müsste ich denn nicht auch die Gedanken anderer Menschen lesen können?“
Jaromir bestätigte: „Ja, das müsste eigentlich klappen. Du weißt jetzt ja, wonach du suchen musst. Auch bei Menschen wird es einfacher sein, wenn die Person, deren Gedanken du lesen willst, nah bei dir steht. Jedes intelligente Wesen hat ein ganz charakteristisches Gedankenmuster und sobald du das einmal erkannt hast, ist es relativ leicht, dieses Muster wiederzufinden. Und damit sind wir dann auch schon beim Ortungszauber, den du ja bereits intuitiv ausgeführt hast.“
Sie sah ihn interessiert an und so fuhr er fort: Bei diesem Zauber suchst du nach einem bestimmten Gedankenmuster und setzt das in Bezug zur Örtlichkeit. In der Regel funktioniert das nur dann richtig gut, wenn du die Umgebung kennst, in der sich die gesuchte Person befindet. Anderenfalls kannst du nur eine grobe Richtung und Entfernung angeben.“
Er lächelte. „Und wenn du richtig gut bist, kannst du eben auch über größere Entfernungen durch die Fenster sehen und so erkennen, was die Person gerade tut, empfindet oder denkt.“
Jetzt verstand Victoria, was sie gemacht hatte, als sie Jaromir geortet hatte. Es fühlte sich tatsächlich genauso an, wie er es eben beschrieben hatte. Und sofort tauchte die nächste Frage auf. „Gibt es denn Grenzen für die Reichweite?“
„Ja, die gibt es“, bestätigte er. „Je nachdem, wie viel magische Kraft dir zur Verfügung steht, kannst du deinen Geist auf kurze oder eben auf weite Entfernung ausschicken.“
Sie hakte gleich nach: „Und wie viel Magie steht mir zur Verfügung? Ich meine, kann ich das beeinflussen?“
Er schüttelte lächelnd den Kopf und dachte: „Victoria, Victoria! Kaum hat sie die erste Unterrichtsstunde in Sachen Magie, schon stellt sie sich die elementare Frage der Macht!“
Dann erklärte er: „Magie kannst du dir wie Luft vorstellen, nur dass alles davon durchdrungen ist, also auch Steine, Wasser, Lebewesen – eben alles und damit auch du. Die Magie, die in dir ist, kannst du zum Zaubern benutzen. Wenn nichts mehr da ist, fühlst du dich erschöpft, aber das hast du ja bereits kennengelernt. Dann musst du warten, bis die Magie von allein wieder nachgeströmt ist. Zimt hilft bei der Aufnahme von Magie. Außerdem gibt es noch einige Techniken, die den ganzen Prozess erheblich beschleunigen können. Ein mächtiger Magier saugt das Vielfache seiner Körpermagie aus seiner Umgebung auf und gibt sie zeitgleich in Form von Zaubern wieder ab. Ihm sind eigentlich nur Grenzen gesetzt, wenn er auf einer Stelle stehen bleiben muss, denn irgendwann ist alle Umgebungsmagie verbraucht. Es dauert eine Weile, bis die astrale Kraft dann wieder zurückgeflossen ist.“
Sie schaute ihn wissbegierig an und er merkte, dass es in ihrem Gehirn arbeitete. „Und wie mache ich das, dass die Magie schneller zurückfließt?“
Er lachte. „Das ist nun wirklich höhere Magie und nicht leicht zu verstehen.“
Sie tat, als würde sie schmollen. „Das hast du von dem Ortungszauber auch behauptet.“
„Ja, das habe ich, aber heute wollen wir uns primär um den Schutzzauber kümmern und dafür brauchst du nur ganz geringe astrale Kräfte.“
Sie lächelte ihn wieder an und seine Augen strahlten zurück.
„Eine Frage habe ich aber vorher noch.“
Er sah sie auffordernd an. „Und die wäre?“
Sie runzelte erneut sie Stirn. „Wie kommt es, dass ich dich heute
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