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Hamburg Horror Noir - Halloween Special

Hamburg Horror Noir - Halloween Special

Titel: Hamburg Horror Noir - Halloween Special Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Sidjani
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ungleich kältere Gefilde zu gelangen, war ich aus der Hitze des Tages unter das Vordach des Warenhauses gedrungen. Ich wünschte mir eine Jacke, noch mehr, da ein leichter doch ergreifend kalter Hauch dort wehte. So schalt ich mich ein zweites Mal einen Narren, dem seine Fantasie gar unglaubliche Eindrücke vortäuschte, die jeder andere in Unkenntnis über die Nachrichten meines Jugendfreundes augenblicklich vergessen hätte. So erklärte ich es mir und trotzdem es mich fröstelte wanderte ich weiter an der Fassade entlang zum Ort, an dem Dennis mich zu treffen gedachte.
    Was mir wie ein Traum erschienen war, diesen Ort als verwunschen zu erspüren, schüttelte ich von mir ab und zwang mich, die Wände, die Fenster, das Warenhaus im Allgemeinen so zu betrachten, wie sie wirklich waren. Verwahrlost wirkte es hier vor allem wegen des Gekritzels, das sich, von unzähligen Schmierfinken zu unterschiedlichen Zeiten verfasst, über die angegilbte Weiße der Wände ergoss – unleserlich, so kaum zu entziffern, und jene Buchstaben, die mir bekannt waren, entzogen sich ohne Kontext jedem Sinn; das Gekritzel gescheiterter Existenzen, mehr war es nicht. Meinen Blick nach links gerichtet, auf das bunte Graffiti-Treiben, bemerkte ich erst nicht, dass ich zur Hauptstraße gelangt war, an die sich das Warenhaus presste, als wollte es über den Gehweg auf die andere Seite flüchten. Auch dort, nach der Ecke war seine Fassade ausladend und unrein, Fenster angebrochen, besudelt mit Unrat, bepinkelte Stufen, die zum Haupteingang führten. Am Vordach entlang zog sich ein feiner doch wahrnehmbarer Riss, der sich im Zickzack über ein Wandteil der Fassade schlich und im Bürgersteig verlor. Dort war es dann, als ich wieder aufblickte und meinen Freund bemerkte, der schon während meines gedankentrunkenen Wanderns weiter vorn gestanden haben musste – fürwahr, sein Äußeres bescheinigte mir, wie recht ich hatte, er gehörte hierhin.
    Mein Freund hatte mich früher gesehen als ich ihn, das wurde mir deutlich, weil er mich sogleich mit einem gehobenen Arm grüßte, kaum war er mir aufgefallen. Seine Bewegungen wirkten träge, eines Somnambulen gleich, der in seinem Schlaf einfachste Gesten ausführte – und trotzdem, neben diesem Erscheinen äußerte sich eine Angespanntheit im aufgerichteten Rücken und der seltsam steifen Position der Beine. Ich brauchte kaum zehn Schritte, um ihn zu erreichen, doch er verharrte dort, bis ich in Hörweite war, und begrüßte mich mit warmen Worten der Wiedersehensfreude. Dies nun glaubte ich ihm nicht, vermutete ein Schauspiel, als er mir kurz darauf die Arme auf meine Schultern legte und ein Lächeln offenbarte, das zugleich von Freude und Trauer sprach. Freude über mein Erscheinen, doch Trauer über all das, was sich in den letzten Wochen, gar Monaten in sein Gemüt gefressen hatte. Seine Erscheinung hatte sich in den, was mögen sie mehr sein als zwei Jahrzehnte so furchtbar verändert, dass ich mich scheute, ihm länger in die Augen zu sehen – Augen, deren Glanz getrübt war und die von Falten ringsum gealtert wurden. Sein Haar, einst strahlend und voll, nun ausgezehrt und wirr, wie Stroh, das durch die Kraft der Sonne bald zu brechen drohte. Die leichenhafte Blässe seines Gesichts schluckte seine sonst so attraktiven Züge – die gerade Nase und die schmalen doch schön geschwungenen Lippen, und seine markanten Wangenknochen, die ihm jenen besonderen Ausdruck verliehen, dass man sein Antlitz nicht vergessen konnte. All das nun litt unter dieser Blässe, die seine Haut beinah durchscheinend machte und so das noch hellere Weiß der Knochen darunter offenbarte. Dazu wirkte seine schmächtige Gestalt als hämische Ergänzung für den trauernden und zurückgezogen lebenden Witwer. Unter dem Schatten des Vordachs war Dennis ein Gespenst, das sich nur kurz aus seinem Gemäuer wagte, aus jenem Warenhaus, auf das er zeigte, kaum war unsere Begrüßung abgetan. Seine Gestalt hatte mich so abgelenkt, dass ich erst spät erkannte, wir trafen uns vor einer weiteren Tür, die ins Warenhaus führte, jedoch nicht zur Verkaufsfläche, stand auf dem Glase doch Personaleingang . Die letzten fünf Minuten war ich mir derart fremd vorgekommen, als Marionette meiner Umwelt, die meine Wahrnehmung zu filtern und damit zu kontrollieren schien.
    Mein Freund griff mit der rechten Hand in seine Hosentasche – die Kleidung im Übrigen blieb das Einzige, das von seinem bedächtigen und früher so aufgeräumten

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