Hamburg Horror Noir - Halloween Special
Freundes entgegen jedweder Erwartungen nicht zu, sondern verlor sich in einer gleich viel lockeren Gangart, und als ich darauf achtete, war das Klimpern der Schlüssel vergangen. Als gehörte Dennis hierhin, bewegte er sich zum ersten Mal so frei, wie ich ihn in Erinnerung hatte. Das Gespenst war in sein Gemäuer zurück gekehrt.
Wir gelangten an eine dritte Türe und in seinen mir nun schon vertrauten langsamen Bewegungen schloss er auf – warum es hier verschlossen war, blieb sein Geheimnis, wer mochte schon in diese Leere einen Fuß setzen können? – einige Fenster, erinnerte ich, waren von außen gar mit Holzlatten vernagelt worden. So konnte sich nur jemand gewaltsam und unter Lärm Einlass verschaffen, was gewiss Ordnungshüter in diesen Bezirk gerufen hätte. Dennis verschloss die inneren Türen demnach aus einem anderen Grunde und mir war, als wollte er seine eigenen Dämonen nach draußen verbannen. Einmal den schmalen Flur dahinter betreten – auch hier nicht mehr als ein ersterbendes Lichtschimmern – schloss er sogleich wieder ab, kommentarlos, als bedurfte diese übermäßige und befremdende Sorgsamkeit keiner Erklärung. Durch den Flur führte er mich an zwei Türen vorbei – Küche und Toilette, wie er anmerkte – hinein in einen kaum mehr lebenswerten Raum, der außer Tisch und Stuhl nur ein wandhohes Regal voll Bücher und einer Matratze davor beherbergte. Meine Augen bemühten sich vergebens, in den dunklen Winkeln, die nahezu alles zu meiner rechten Seite aus dem Blick verschlangen, noch anderes Mobiliar auszumachen. Umso mehr erkannte ich die Kerzenhalter auf dem Tisch, die mein Freund sogleich entzündete, und Stapel von Papieren, beschriebene und leere Seiten, aufgeschlagene Bücher, Notizhefte, Stifte. Trotz der Unruhe auf dem Tische, der Kleidung, die ich im Lichte der Kerzen nun gewahr wurde und des Sofas, das sich aus den Schatten hob an jener Wand, die zuvor in vollendeter Dunkelheit verschwunden war, blieb das Zimmer seltsam leblos und strahlte jene kummervolle Atmosphäre aus, die mein Freund trotz seiner wiedergewonnenen Lebendigkeit in jeder Geste atmete.
Dennis forderte mich auf zu setzen, deutete dabei auf das Sofa und fragte, ganz der Höflichkeit eines Gastgebers verschrieben, ob ich etwas trinken wollte – er hätte Mineralwasser, das einzige Getränk neben dem Whiskey, das er ungekühlt seiner Kehle zumuten konnte. Sogleich erzählte er, wie er unter einer krankhaften Verfeinerung aller Sinne litt und ihm schon der Sommer vor der Tür, wenn auch nur unter dem Vordach und für wenige Minuten ausgesetzt, schwer zu schaffen gemacht hatte. Ihm war nicht mehr möglich, Musik zu lauschen oder etwas anderes zu sich zu nehmen als Brot mit ungesalzener Butter. Darum bedurfte er keinen Strom hier, sagte mein Freund, diese Künstlichkeit würde ihn nur weiter in seinen Zustand vertiefen – dies und die Geräusche der Nachbarn waren dafür verantwortlich, dass er nurmehr seit Lindas Tod im Warenhaus verweilte – Linda war ihr Name also, doch ich erinnerte mich nicht, ihn je vernommen zu haben.
Bis zu diesem Moment war mir noch unklar, warum ich mich hier einfinden sollte. Nur die Zeit mit einem trauenden Freund zu verbringen, ihn vielleicht an helleren Gedanken teilhaben lassen, erschien mir wenig. Dann gab Dennis Preis, an welch außergewöhnlichem Schrecken er zu alledem litt, dass ich um seine geistige Gesundheit, mehr noch als zuvor, wahrlich besorgt wurde.
„Ich werde zugrunde gehen“, sagte er, „nach allem, was war und wie ich jetzt lebe, muss ich zugrunde gehen. Das Verständnis für meinen Zustand mag dir vielleicht fehlen, mein Freund, aber wie der Tod eines Nahestehenden dein Herz zermalmen kann, das ist dir, so denke ich, wohlbekannt. Mit Lindas Ende aber fand ich mich schon ab, ja, es mag nur Wochen her sein, doch dass sie nicht mehr ist, kann als erlösend bezeichnet werden für meine arme Frau, die umso mehr gelitten hatte als ich es jetzt tue. Du magst dich fragen, wie sie denn verstorben sei. Nun lass es mich so umschreiben, ich warte darauf, von demselben heimgesucht zu werden – Tag um Tag, von Sekunde zu Sekunde fürchte ich derweil die Folgen der Zukunft mehr als was Vergangenes gelauert haben mochte. Ich schaudere bei dem Gedanken an den nichtigsten Vorfall und nur unter zehrender Kraftanwendung war es mir möglich, dir am Morgen im Internet-Café gegenüber eine elektronische Nachricht zu senden und dich eben vor der Türe zu empfangen. Ich bin nicht
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