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Hamburg Horror Noir - Halloween Special

Hamburg Horror Noir - Halloween Special

Titel: Hamburg Horror Noir - Halloween Special Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Sidjani
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Charakter zeugte; ein letztes Detail, das mich wenig beruhigte – und förderte ein Schlüsselbund zu Tage, dabei schritt er die erste Stufe zu den Türen empor.
    „Lass uns zunächst hinein gehen“, sagte er beiläufig, „danach können wir alles weitere bereden.“
    „Wie, du willst dort hinein?“
    Dennis hielt auf der zweiten Stufe inne, drehte sich zu mir und ich sah mich bestätigt, was ich über seine Handschrift vermutet hatte. So hätte sein Brief ausgesehen – zittrig wie seine Hand und ihre dünnen, blassen Finger, die den Schlüsselbund umkrallten, während er mit leichten Schlägen gegen den Oberschenkel versuchte, einer übermäßig nervösen Erregung Herr zu werden. In seinem Benehmen fiel mir das Unstete auf, zu dem er früher nicht geneigt war. In einem Moment dieses apathisch Somnambule, im anderen der jetzt auch leicht schwankende Mensch. Ja, trunken wirkte er und sein Sprechen, seine Stimme und Betonung erinnerte an jenes bleierne, kehlige Raunen, zu dem nur Berauschte fähig waren.
    „Ach, das hatte ich dir nicht geschrieben? Es mag nun ein halbes Jahr her sein, seit ich zum Verwalter dieses Gebäudes wurde. Ich nutze es seitdem zum Arbeiten.“
    Nun, den Aberglauben vermochte ich von mir zu schütteln, aber das tiefe Unbehagen in meiner Seele wollte nicht weichen, auch wenn ich mich gezwungen sah, der Aufforderung meines Freundes zu folgen. Ich behauptete damals, ich täte es aus Mitleid, aber jetzt kann ich umso ehrlicher sein – mehr als alles andere war ich von der verwahrlosten Düsternis fasziniert, eine morbide Faszination zweifellos, doch ich glaubte an ein Geheimnis, das es zu lüften galt, in demselben Maße, wie ich das Lauernde hinter den Worten meines Freundes vermutete. So erwähnte ich nichts von meinen ersten Eindrücken und gab mich ganz der Neugier hin, was mich im Inneren des Warenhauses erwarten mochte, und ich hütete mich, Dennis mit Fragen zu belästigen, denn es würde die Zeit kommen, in der er reden musste. Zunächst genügte das Erkennen, er und das Haus waren sich so nahe, wie ich den Eindruck bekommen hatte.
    Als wir in das enge Treppenhaus gelangten, die Glastür lautlos zugegangen war, kroch das Abfallen der Temperatur in meine Kleidung, dass ich fröstelte. Nichts erinnerte mehr an den Sommer, der unsere Stadt seit Wochen gefangen genommen hatte – zwei Welten, dachte ich, ein Drinnen gegen das Draußen, nie war mir die Bedeutung dieses Gegensatzes klarer gewesen. Ich folgte meinem Freunde die Stufen hinauf, unter nervösem Geklapper, denn seine Hand schlug weiter gegen den Oberschenkel bei jedem Schritt, und je höher wir kamen, desto dunkler wurde es um uns – keine Fenster zu erblicken, so wusste ich, wir waren hinter der Fassade der ersten Etage, dort, wo mein Eindruck des Gefängnisses herrührte. Mein Freund schnaufte wie unter einer schweren Last, dabei trug ich doch meine Reisetasche, die ich am Morgen mit dem Nötigsten gepackt hatte. Überdies war aber nichts Ungewöhnliches auszumachen und bis auf die Kälte war mir das Treppenhaus so ordinär wie jedes andere, ja, nach den ersten Minuten meiner Ankunft hatte ich wesentlich Ungeheuerliches erwartet, nicht diese Profanität. Dies änderte sich, als mein Freund die nächste Tür aufschloss, die uns wahrlich ins Innere entließ, tiefer in den Bauch des verwahrlosten Gebäudes.
    Unter seiner Bemerkung, dass an diesem Ort der Strom abgestellt sei, führte Dennis mich durch eine lange, ausladende Leere, ein Stockwerk, in dem nichts mehr war und damit wie eine Lagerhalle anmutete. Hier trug nun, ich weiß nicht wie, vieles dazu bei, meine unbestimmten Empfindungen wieder zu vertiefen, das gänzlich Normale eines Treppenhauses vergessen zu machen. Licht war hier kaum noch, nur genug Dämmern, dass ich die Umrisse meines Freundes vor mir erkennen konnte, meinen einzigen Punkt der Orientierung. Die Weite des Raumes wurde von Säulen gehalten, die wohl zur Stütze des obersten Stockwerkes dienten, doch in dieser Düsternis wirkten sie wie schmale Monolithen, die sich in der Schwärze der Decke verloren und so unendlich gen Himmel reichen konnten, und auch das Unreine des Bodens war mir mit fortschreitender Dauer, in der sich meine Augen an das mangelnde Licht gewöhnten, möglich zu erkennen. Dunkle Flecken breiteten sich als glanzlose Pfützen aus, wo auch immer ich hinblickte, und auch hier Unrat wie Dosen, Papier oder nicht genauer definierbare Formen. In dieser Düsternis nahm die Nervosität meines

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