Hamburger, Hollywood & Highways
nichts: Zwei getrennte Zimmer, ein kleines Bad, eine Küche mit Geschirrspülmaschine, Wäschetrockner, Mikrowelle und Eisschrank. Ein unabhängiges Stromnetz versorgt die Geräte, erklärte Bob, so dass die Sorge, das Cola könnte nicht anständig gekühlt sein, ihm keine Kummerfalten auf die Stirn trieb.
„Als Bob in Rente ging, haben wir unser Haus verkauft und den Alligator erworben“, sagte Mary Ann.
„Den Alligator?“
„Das Wohnmobil heißt so. Drunten in Quartzsite haben wirs von einem Priester taufen lassen.“
Jeden Januar findet in Quartzsite, Arizona, das größte Treffen amerikanischer Nomaden statt. Es sind die nomadic retirees , Rentner auf Achse. Sie selbst sagen über sich, „wir sind die, Geritol Zigeuner’“. Geritol heißt in Amerika ein populäres Aufbaumedikament für ältere Menschen. Immer mehr von denen geben nach dem Berufsleben die Sesshaftigkeit auf, um wie ihre Vorfahren von Ort zu Ort zu ziehen. Mittlerweile schätzt man ihre Zahl auf 3,5 Millionen, und viele sind in ähnlichen Dinos unterwegs. Weil alle in die Sonne wollen, gibt es richtiggehende Trecks: Im Winter hinab in die Südstaaten, im Sommer hoch in den Norden. Eigentlich eine logische Sache: Die Ahnen der nomadic retirees haben auch eines Tages alles stehen und liegen gelassen, um zu neuen Ufern aufzubrechen. Nun setzen die neuen Nomaden diese Tradition fort. Im Gegensatz zu uns ziehen Amerikaner ohnehin häufig um: Wenn es der Job verlangt, packt man seine Sieben Sachen, und weiter gehts. Es kommt selten vor, jemanden zu treffen, der sein Leben an nur einem Ort verbracht hat.
Wir plauderten ein halbes Stündchen über die angenehmen Seiten des Immer-unterwegs-sein, dann verabschiedete ich mich.
Draußen sah ich einen Aufkleber neben der Fahrertür. We're spending Our Kids’ Inheritance stand da drauf, wir hauen das Erbe unserer Kinder auf den Kopf. Ein Späßchen, aber mit Hintergrund. Es war die Eisenhower-Generation, die in den 60er Jahren im großen Stil begann, das Rentnerdasein auf eine neue Art zu genießen. Anstatt mit den Enkelkindern auf dem Sofa zu hocken, wollte man die Welt sehen.
„So schmeckt das Leben“, rief mit Bob nach. „Burn down the house and saddle the horse.“
Brenn dein Haus nieder, dann sattle dein Pferd. Kein Wunder, ist Quartzsite ihre Fünfte Jahreszeit. In Anspielung auf die Stadt Niagara Falls nennen die Nomadenrenter das Städtchen Viagra Falls . Dort beten sie jede Nacht zum Gott der bunten Pille, und singen ein Halleluja auf die Pharmafirma Pfizer.
Ich winkte Bob zu, gab Gas, öffnete mit einer Hand eine Coladose, verbrühte mir den Mund. Irgendwann, nahm ich mir vor, werde ich auch in einem Dinosaurier mit allen Annehmlichkeiten des zivilen Lebens durch die Gegend streifen. Dann sah ich das Schild vor mir, „kurvenreiche Strecke auf den nächsten 30 Meilen“ und verwarf den Vorsatz wieder. Schließlich sind die Dinos ausgestorben. Und das nicht ohne Grund.
Vermutlich kommt dieses Bekenntnis wenig überraschend, aber ich liebe Bäume. Ob Tanne oder Laub, ob mit Äpfeln drauf oder lustig aussehend wie der Baobab: Bäume sind meine Freunde. Deshalb stand es außer Frage, dem ältesten Baum der Erde meine Aufwartung zu machen, inmitten der Mammutbaumwälder des Sequoia National Parks. Der Baum heißt „General Sherman Tree“, ist 83 Meter hoch, misst 31 Meter im Umfang, und, festhalten Herrschaften, ist über 3500 Jahre alt. Ich bin 43, und wenn ich weiterhin warmes Cola trinke, kommt bald die Zeit, übers Testament nachzusinnen. Also konnte ich gar nicht anders als voller Ehrfurcht den Baummethusalem zu bestaunen, an dem mir nur der Name nicht passte. General Sherman war ein Bürgerkriegsgeneral, und ich bin mir sicher, mein Freund, der Baum, hätte sich einen anderen ausgesucht. Wahrscheinlich auch nicht Karl-Marx-Baum, wie ihn 1880 die Mitglieder der sozialistischen Kaweah Colony umtauften. Marx konnte sich aber nicht durchsetzen, und so kam der Bürgerkriegsgeneral wieder zum Zug.
Ich lief einmal um den Baum herum, dann nochmals und nochmals, dann wurde es Zeit, das Weite zu suchen. Außer mir waren noch ein paar Hundert weiterer Baumbewunderer hier, und irgendwie ähnelten wir Ameisen, die hin und her wuselten, ohne dass man eine höhere Ordnung erkennen konnte. So ging ich zurück zum Parkplatz, der, da wir in Amerika waren, keine 20 Meter vom Baum entfernt lag. Ich ging mit gemischten Gefühlen, denn diese Mammutbäume wachsen in einem 60 Kilometer schmalen und
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