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Hamburger, Hollywood & Highways

Titel: Hamburger, Hollywood & Highways Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Oliver Bachmann
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700 Kilometer langen Streifen entlang der kalifornischen Pazifikküste. Ihr Holz ist begehrt, von bester Qualität. Seit 1850 die ersten Weißen in die Gegend kamen, sind bereits 90 Prozent der Bestände gefällt worden. Diese Giganten überleben zwar locker Sturm und Feuer, aber die Motorsäge nicht.
    Derart in Gedanken versunken fuhr ich weiter und weiter und weiter, und stand plötzlich vor dem Schild Land's End . Die Straße hörte auf, und ich hatte keine Ahnung, wo ich war. Ich stieg aus, wandte mich um. Da war nichts außer Bäume und dem Rauschen der Wälder. Ich musste falsch abgebogen sein. Was vor mir lag, war unberührte Wildnis wie zu Zeiten vor dem Weißen Mann. Ich hatte eine Dose warmes Cola und zwei Schokoriegel, und es stand außer Frage: Land's End – da wollte ich mein ganzes Leben schon hin!
    Warum, dachte ich mir, machst du nicht eine kleine Wanderung nach all der Fahrerei? Ein schmaler Pfad führte in den Wald, und bald ging es steil abwärts. Irgendwo in der Tiefe rauschte ein Bach, oder waren es Wasserfälle, jedenfalls dachte ich, nachschauen kann nichts schaden. Als Schwarzwälder ist man es gewohnt, Spaziergänge durch tierarme Wälder zu machen, aus denen Bär, Wolf und Luchs schon lange und für immer vertrieben wurden. Nicht umsonst gilt die Zecke als das gefährlichste Geschöpf im Schwarzen Walde, doch hier lagen die Dinge anders. Vor mir raschelte es, dann raschelte es ein wenig mehr, dann raschelte es furchtbar laut und ein Braunbär sprang auf den Weg. Ganz erstaunlich, wie gut unsere Instinkte auch nach Tausenden von Jahren noch funktionieren. In einem früheren Leben bin ich sicher vor dem Säbelzahntiger weggelaufen, und genau das wollten meine Beine tun. Ein Braunbär ist zwar nicht so groß wie ein Grizzly, aber man kann ihn auch nicht einen Winzling schimpfen. Auf einmal fiel mir alles wieder ein, was ich in schlauen Büchern über Wanderungen in National Parks gelesen hatte: Nie alleine unterwegs sein. Immer ein Bärenglöckchen mit sich führen. Feste Krach machen, denn das mag Meister Petz nicht und sucht das Weite. Allerdings fiel mir auch etwas anderes ein: Wie sehr ich es mir gewünscht hatte – natürlich heimlich, still und leise – einen Bären in natürlicher Umgebung zu sehen. Das mag zwar bescheuert sein, aber Dollars in einarmige Banditen zu stopfen, ist ja auch bescheuert. Und, darauf gebe ich Brief und Siegel, der Adrenalinausstoß angesichts von 250 Kilogramm Muskeln ist um ein Vielfaches höher. Ich hielt die Luft an und beobachtete, wie Ursus arctos ebenfalls innehielt, schnupperte, und mich mit neugierigen Augen taxierte. Er ging ein paar Schritte auf mich zu, flinker und eleganter als seine massige Form es vermuten ließ. In den guten alten Zeiten meiner Jugend brachte ich über 200 Meter württembergische Spitzenzeiten zustande. Aber das lag schon lange zurück, und wer weiß, was ein regionaler Titel im internationalen Vergleich Wert ist. So blieb ich stehen, und das war vermutlich die richtige Strategie, denn keine zehn Meter von mir entfernt überlegte der Bär es sich anders. Er hielt inne, wiegte den Kopf hin und her, und trollte sich ins Unterholz. So unvermittelt, wie er aufgetaucht war, verschwand er im Wald. Eine Weile hörte ich das Knacken von Ästen, dann nur noch das Rauschen des Bachs dort unten. Vielleicht waren es ja wirklich Wasserfälle, aber wer will das wissen? Ohne Anfeuerungsrufe schaffte ich es in einem neuen baden-württembergischen Rekord der Altersklasse 43+ zurück zum Auto. Das Schild Land's End grinste mich an, als wollte es sagen, hast du's jetzt kapiert, hier gibts für dich nichts zu holen. Doch wie sagte schon Casanova bei ganz anderer Gelegenheit? „Neugier zieht an, Gelegenheit macht den Rest.“ Und was für Mann und Frau gilt, gilt auch für Daniel und Bär.
    Jetzt kam doch Plan A – auf nach San Francisco – zum Zug. Natürlich nicht, ohne Scott McKenzie im Ohr zu haben, „if you're going to San Francisco, be sure to wear some flowers in your hair“ . Die Hippiezeiten sind zwar vorbei, und die Strophe „summertimes will be a love-in there“ mittlerweile nur eine leere Versprechung, trotzdem war, ist, und bleibt die Stadt zwischen Pazifik, Bay und Golden Gate für mich eine der Schönsten der Welt. Doch vor der Schönheit hat der Gott der Landstraße die Langeweile gesetzt, und die hieß Orange County. Eine Gegend, der Hollywood mit dem Film „Nix wie raus aus Orange County“ das rechte Denkmal gesetzt hat.

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