Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hana

Hana

Titel: Hana Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lauren Oliver
Vom Netzwerk:
wurden um drei Uhr morgens auf der Straße aufgelesen.«
    »Wer war es denn?«, fragt mein Vater. Er hat den Versuch aufgegeben, die Nachrichten zu gucken, und spült seine Schale aus.
    »Eins der Sterling-Mädchen. Die Jüngere, Sarah.« Meine Mutter sieht meinen Vater erwartungsvoll an. Als er keine Reaktion zeigt, sagt sie: »Du erinnerst dich doch an Colin Sterling und seine Frau. Wir waren im März gemeinsam mit ihnen bei den Spitalnys zum Essen eingeladen.«
    Mein Vater grunzt.
    »Wie schrecklich für die Fam–« Meine Mutter hält abrupt inne und wendet sich an mich. »Ist alles in Ordnung, Hana?«
    »Ich … ich glaube, ich habe mich verschluckt«, keuche ich. Ich stehe auf und nehme mir ein Glas Wasser. Meine Hände zittern.
    Sarah Sterling. Sie muss auf dem Nachhauseweg von der Party erwischt worden sein und ein übler, egoistischer Gedanke schießt mir durch den Kopf: Gott sei Dank hat es nicht mich getroffen. Ich trinke große, langsame Schlucke Wasser und versuche mein Herz dazu zu bringen, nicht mehr so zu hämmern. Ich will fragen, was mit Sarah passiert ist – was mit ihr passieren wird –, aber ich wage nicht zu sprechen. Außerdem enden diese Geschichten immer gleich.
    »Sie werden natürlich den Eingriff vorziehen«, sagt meine Mutter, als könnte sie Gedanken lesen.
    »Aber sie ist doch noch viel zu jung«, platze ich heraus. »Das kann doch gar nicht gut gehen.«
    Meine Mutter dreht sich ruhig zu mir um. »Wenn man alt genug ist, um sich mit der Krankheit anzustecken, ist man auch alt genug, um geheilt zu werden«, sagt sie.
    Mein Vater lacht. »Demnächst fängst du noch ehrenamtlich bei der VDFA an. Warum nicht gleich Kinder behandeln?«
    »Warum nicht?« Meine Mutter zuckt die Achseln.
    Ich stehe auf und halte mich am Küchentisch fest, als mir kurz schwarz vor Augen wird. Mein Vater nimmt die Fernbedienung und schaltet den Ton wieder an. Jetzt zeigen sie Freds Vater, Bürgermeister Hargrove.
    »Ich wiederhole, es besteht keine Gefahr einer sogenannten Widerstandsbewegung oder einer signifikanten Ausbreitung der Krankheit«, sagt er gerade. Ich gehe schnell hinaus in den Flur. Meine Mutter ruft mir irgendwas hinterher, aber ich bin zu sehr auf das Dröhnen von Hargroves Stimme konzentriert – »Wir verfolgen wie bisher eine Null-Toleranz-Strategie gegenüber Störern und Abweichlern« –, um zu hören, was sie sagt. Immer zwei Stufen auf einmal nehmend gehe ich die Treppe hinauf und in mein Zimmer, wobei ich mehr denn je wünschte, meine Tür ließe sich abschließen.
    Aber Abgeschiedenheit führt zu Geheimniskrämerei und Geheimniskrämerei führt zu Krankheit.
    Meine Handflächen sind schweißnass, als ich mein Handy hervorhole und Angelicas Nummer wähle. Ich muss unbedingt mit jemandem über die Sache mit Sarah Sterling reden – ich will von Angelica hören, dass alles in Ordnung ist und wir in Sicherheit sind, und außerdem, dass die Untergrundbewegung nicht zerschlagen wird –, aber wir müssen uns vorsichtig unterhalten, verschlüsselt. Alle Telefonate werden regelmäßig von der Stadt überwacht und aufgezeichnet.
    Ich lande direkt auf Angelicas Mailbox. Daraufhin rufe ich bei ihr zu Hause an, wo es klingelt und klingelt. Panik steigt in mir auf: Einen Augenblick fürchte ich, dass sie ebenfalls erwischt wurde. Vielleicht wird sie genau jetzt zu den Labors gezerrt und für ihren Eingriff festgeschnallt.
    Aber nein. Sie wohnt nur ein paar Häuser weiter. Wenn Angelica geschnappt worden wäre, hätte ich davon gehört.
    Plötzlich ist da ein überwältigender Drang: Ich muss Lena sehen. Ich muss mit ihr reden, ihr alles erzählen, ihr von Fred Hargrove berichten, der bereits eine Partnerin hatte und sich von ihr getrennt hat, und von seiner Mutter, die obsessiv Unkraut jätet. Und von Steve Hilt und dem Teufelskuss und von Sarah Sterling. Sie wird mich beruhigen. Sie wird wissen, was ich tun soll – was ich fühlen soll.
    Als ich diesmal die Treppe hinuntergehe, schleiche ich auf Zehenspitzen; ich habe keine Lust, meinen Eltern zu erklären, wo ich hinwill. Ich hole mein Fahrrad aus der Garage, wo ich es gestern Nacht beim Nachhausekommen abgestellt habe. Um den linken Lenkergriff ist ein lila Haarband geschlungen. Lena und ich haben das gleiche Fahrrad und seit ein paar Monaten haben wir die Haarbänder benutzt, um sie auseinanderzuhalten. Nach unserem Streit hatte ich das Haarband abgemacht und es unten in meine Sockenschublade gesteckt. Aber der Lenker sah daraufhin

Weitere Kostenlose Bücher