Hand in Hand in Virgin River
Herr!“
„Was soll dieses Gerede übers Sterben? Fühlst du dich nicht gut?“, fragte er behutsam.
Sie lachte unter Tränen. „Lief Holbrook. Ich fühle mich wie achtzig ! Ich könnte morgen schon nicht mehr da sein.“
Courtney konnte hören, dass er sie umarmte. „Ich glaube, du wirst es noch bis morgen schaffen.“
„Das solltest du auch besser hoffen. Ich bin für den Vogel verantwortlich.“
Am Thanksgivingtag in Silver Springs in Idaho war das Haus voll, obwohl nicht alle Holbrooks da sein konnten. Einige schon erwachsene und verheiratete Neffen und Nichten von Lief wohnten in anderen Bundesstaaten und kamen nicht, dennoch war der Tisch voll besetzt. Diese traditionsbewussten Leute vom Land mochten es, zwei Tische zu decken, einen für die Erwachsenen und den anderen für die Kinder. Es war ein großer Schritt ins Erwachsenenleben, wenn man vom Kindertisch an den Erwachsenentisch wechselte. In diesem Jahr saß Courtney bei den Erwachsenen.
Man schien froh zu sein, dass sie da war; eine enorme Erleichterung. Sie sah den See, auf dem sogar ein paar Gänse bei einer kleinen Pause auf dem Weg nach Süden herumschwammen. Die Farm von Liefs Cousin Jim hatte sich nicht verändert, doch er hatte ein paar neue Tiere – ein paar Wallache, die er beim Verkauf vom Hof des Nachbarn übernommen hatte. Keine Pferde, bei denen Courtney das Bedürfnis hatte, reiten zu wollen. Lief ging sowohl am Freitag- als auch am Samstagmorgen in aller Herrgottsfrühe mit seinen Brüdern und seinem Schwager zur Jagd. Sonst blieben sie meistens auf der Farm – in dessen Nähe es jede Menge Brücken und Seen gab. Lief schoss zwei Enten, die er beide ausnahm und in eine Box mit Eis legte, weil er sie mit nach Virgin River nehmen wollte.
Courtney simste das ganze Wochenende lang mit Amber. Es klang, als ob Ambers Ferien ganz genauso abliefen – ältere Brüder, jüngere Nichten und Neffen, jede Menge Leute auf der Farm.
Am Sonntag traten sie den Heimweg an. Oma hatte ihnen Kaffee, Truthahnsandwiches und Plätzchen gemacht. Zwar waren Lief und Courtney nicht im Morgengrauen losgefahren, dafür aber gleich nach dem reichhaltigen Frühstück. In den ersten paar Stunden war es ziemlich ruhig im Wagen.
„Dein Verhalten hat mich wirklich beeindruckt, Courtney. Danke.“
Sie seufzte. „Ich habe keine Ahnung, wieso wir nicht hier leben können. Es ist ja nicht so, als ob sie jünger würde, meinst du nicht?“
„Ich weiß“, erwiderte er. „Ich muss sie unbedingt häufiger besuchen.“
„Warum können wir denn nicht da wohnen? In der Nähe der Familie?“
„Nun, ich hatte schon darüber nachgedacht, aber am Ende habe ich mich dafür entschieden, nicht allzu weit weg von Kalifornien zu leben, da ich vermutlich immer mal wieder nach L.A. reisen muss. Gelegentlich muss ich zu Drehbuchmeetings. Sowie ich ein Haus fand, von dem ich dachte, dass es uns beiden gefällt, habe ich diese Entscheidung getroffen.“
„Es gibt Flughäfen. Was, wenn wir eine neue Entscheidung treffen würden?“
„Nach Silver Springs ziehen?“, fragte er. „Mir gefällt, wo wir leben. Und du kommst dort doch auch ziemlich gut zurecht.“
„Liegt es daran, dass Kelly dort wohnt?“, hakte sie nach.
„Ich mag Kelly, das weißt du. Und um ehrlich zu sein, hätte ich nie geglaubt, dass ich noch mal eine Frau kennenlerne, die ich so mag. Als sie hierherkam, wollte sie nur eine Weile bleiben, bis sie einen Job in einem Restaurant gefunden hat. Dass sie nicht für immer bei ihrer Schwester leben will, hat sie mir gleich als Erstes gesagt. Es hat also nichts mit Kelly zu tun, dass ich nicht aus Virgin River weg möchte. Sieh mal, ich denke nicht, dass wir nach Idaho umziehen sollten, aber ich glaube, wir sollten so oft wie möglich hinfahren. Ist das in Ordnung?“
„Klar“, erwiderte sie. „Wie du meinst.“
12. KAPITEL
Lief hatte noch nie in seinem Leben so viel gesimst. In seinem Elternhaus mit den dünnen Wänden und bei Kellys bestenfalls als fragwürdig zu bezeichnendem Handyempfang wollte er lieber nicht mit ihr telefonieren, Persönliches besprechen und von Courtney dabei belauscht werden. Seine Eltern waren halb taub, aber Courtney hatte ein unmenschlich gutes Gehör. Also schickte er Kelly Nachricht um Nachricht. Manchmal antwortete sie sofort oder auch erst ein wenig später. Er fühlte sich wie ein Kind, das heimlich während des Unterrichts Zettelchen schrieb. Wenigstens gab es auf die Weise eine Kommunikation zwischen ihnen, dennoch
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