Hand und Ring
veränderten Lebensstellung nur hinderlich sein würde, worauf sie dann erwidert haben mag, wenn er schlecht genug sei, sie zu verlassen, so wolle sie ihn nicht halten; die Lebensgefährtin eines solchen Menschen zu sein, wäre ohnehin kein Glück. Er möge gehen, aber zuvor ihre Ansprüche anerkennen und ihr ein Jahrgeld aussetzen. Jedenfalls ward ein derartiges Abkommen getroffen, denn er kam hierher und sie ging nach Swanson zurück. Lange hielt sie es jedoch dort nicht aus, bald darauf finden wir sie in Sibley, wo sie in seiner nächsten Nähe ihren kleinen Haushalt einrichtete. Ja noch mehr, sie bewog ihn, sie täglich zu besuchen und bei ihr zu speisen. Daß er ihr wenigstens diese Aufmerksamkeit erweise, hielt sie für recht und billig, und begnügte sich mit dem Bewußtsein, daß keine andere Frau die Stelle einnehmen dürfe, die ihr gebührte.
Wahrscheinlich ist dies der Anlaß zu ihrem Tode gewesen, Sie wollte alles ertragen, aber eine Nebenbuhlerin duldete sie nicht. Er kannte sie und beging das Verbrechen, um nicht auf den Besitz des Weibes zu verzichten, das er liebte.
Sie scheinen ja sehr genau unterrichtet zu sein, sagte Ferris, darf ich fragen, woher Sie das alles wissen?
Aus Briefen, erwiderte Gryce, und zog ein dickes Paket vergilbter Blätter aus der Rocktasche. Glücklicherweise war Frau Klemmens eine von denen, die ihre Gefühle gern zu Papier bringen.
Wo haben Sie das entdeckt? fragte Ferris, die ihm bekannten Schriftzüge der Witwe betrachtend.
An einem merkwürdigen Ort, entgegnete der Detektiv; die alte Frau Firman hatte die Aufzeichnungen in Verwahrung. Vor etwa zwei Jahren nämlich vermißte Frau Klemmens – das heißt Frau Orkutt – ihren Trauschein, den sie an einem verborgenen Ort aufbewahrte. In der Angst, daß Orkutt sich ihrer entledigen wolle, beschloß sie, ihre alte Tante, Frau Firman, ins Vertrauen zu ziehen und übergab ihr jene Blätter, eine Art Tagebuch, das sie von Zeit zu Zeit fortgeführt hatte.
Hier ist noch ein Brief von anderer Hand, bemerkte Ferris.
Ein Versuch der alten Dame, die Geschichte aufzuschreiben, wie sie ihr erzählt worden, und zu erklären, wie die Blätter in ihren Besitz gekommen sind, für den Fall ihres plötzlichen Todes oder eintretender Altersschwäche. Es war eine weise Vorsicht. Frau Firman ist infolge des Schrecks über die Ermordung ihrer Cousine schwachsinnig geworden; wir hätten also über das Tagebuch der Witwe keinen Aufschluß mehr von ihr erhalten können. Ja, wir würden von dem Vorhandensein dieser wichtigen Papiere vielleicht noch lange Zeit nichts erfahren haben, wäre mir das Glück nicht besonders günstig gewesen.
Ich will die Blätter lesen, sagte Ferris dumpf.
Hier ist auch noch ein Telegramm aus Swanson mit der Nachricht, daß die Heirat von Tremont Orkutt und Marie Mansell in dem alten Kirchenregister steht, fügte Gryce hinzu.
Mit kummervollem Blick nahm der Bezirksanwalt die Papiere in Empfang. Als sich die Detektivs entfernt hatten, blieb er noch lange in trübe Gedanken versunken sitzen und konnte sich nur schwer entschließen, diese Beweise von der Falschheit und Treulosigkeit seines ehemaligen Freundes einer genauen Durchsicht zu unterwerfen.
Aber als er endlich mit dem Lesen des Tagebuchs zu Ende war, mußte er zugeben, daß ihm Gryce die volle Wahrheit mitgeteilt hatte.
Dreiundvierzigstes Kapitel.
Helene!
Ja, Imogen.
Was für ein Lärm ist denn das? Warum schreien die Leute auf der Straße so?
Die junge Frau Richmond, die noch vor kurzem Helene Darling hieß, blickte in das abgezehrte, vom Fieber gerötete Antlitz ihrer Freundin und schwieg eine Weile, dann flüsterte sie:
Du warst so krank, ich durfte dir's nicht sagen; aber jetzt sollst du alles wissen, die Freude wird dich gesund machen: das Volk jubelt draußen, weil ein unschuldig Angeklagter endlich freigesprochen ist. Craik Mansell ist heute früh aus der Haft entlassen worden.
Er ist frei – o Helene!
Ja, liebes Herz; seltsame Dinge sind ans Licht gekommen,während du hier krank lagst. Der Rechtsanwalt Orkutt – –
O, rief Imogen und versuchte aus dem Lehnstuhl aufzustehen, in dem sie geruht hatte, du brauchst es mir nicht zu sagen. Ich war ja bei ihm, als er starb, und hörte sein Geständnis. Er und kein anderer hat Frau Klemmens umgebracht.
Daran ist kein Zweifel mehr, aber weißt du auch, was ihn zu dem Verbrechen trieb?
Das ist mir ein unergründliches Rätsel. Er sagte, um meinetwillen habe er es getan – aber, wie kann das sein,
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