Handyman Jack 01 - Die Gruft
spürte, dass Jack ihr auswich. Er verschwieg ihr etwas. Ihr Unbehagen wuchs.
»Was weißt du?«
»Das ist das Problem – ich weiß gar nichts. Nur eine Intuition. Also geh kein Risiko ein und halte dich von allem Ungewöhnlichen fern.« Er reichte ihr einen Notizzettel mit einer Telefonnummer. Sie hatte eine Vorwahl aus New Jersey. »Das ist die Nummer meines Vaters. Ruf mich da an, wenn du mich brauchst oder wenn es etwas Neues über Grace gibt.« Er sah die Treppe hoch und dann zum hinteren Teil des Hauses. »Wo ist Vicky?«
»Sie schläft noch. Eunice hat gesagt, sie konnte gestern nicht einschlafen.« Gia öffnete die Haustür. »Viel Spaß beim Spiel.«
Jacks Miene verdüsterte sich. »Ja, sicher.«
Sie sah ihm nach, wie er zur Kreuzung zurückfuhr und am Sutton Place abbog. Sie fragte sich, was ihm wohl im Kopf herumging. Warum diese merkwürdige Warnung, nichts Ungewöhnliches zu trinken? Nur um sicherzugehen, ging sie nach oben und kontrollierte alle Fläschchen in Graces Badezimmerschränkchen und in dem Schrank unter ihrem Waschbecken. Es waren alles Markenartikel. Nichts ähnelte der unbeschrifteten Flasche, die Jack Donnerstag gefunden hatte.
Sie nahm zwei extrastarke Aspirin und duschte lange und heiß. Das minderte etwas ihre Kopfschmerzen. Als sie sich abgetrocknet und karierte Shorts und eine Bluse angezogen hatte, war Vicky aufgestanden und wartete auf ihr Frühstück.
»Was möchtest du essen?«, fragte Gia, als sie durch den Flur auf die Küche zumarschierten. Vicky sah süß aus in ihrem rosa Nachthemd und den flauschigen rosa Pantoffeln.
»Schokolade!«
»Vicky!«
»Aber sie sehen so lecker aus!« Sie zeigte auf den Tisch, wo Eunice eine Präsentierschale mit den Pralinen aus England gefüllt hatte, bevor sie gegangen war.
»Du weißt doch, was dann mit dir passiert.«
»Aber sie schmecken so toll.«
»Na gut. Nimm eine davon. Wenn du meinst, so ein kleiner Bissen sei es wert, dass du einen ganzen Tag lang anschwillst und es dich überall juckt und dir schlecht ist, dann los, nimm eine.«
Vicky sah zu ihr auf, dann zu den Pralinen. Gia hielt den Atem an und hoffte inständig, Vicky würde die richtige Wahl treffen. Wenn sie sich für die Praline entschied, würde Gia einschreiten müssen, aber es bestand ja auch die Möglichkeit, dass sie ihren Kopf benutzte und darauf verzichtete. Gia wollte wissen, was sie tun würde. Die Pralinen würden tagelang dort stehen; eine stete Versuchung für Vicky, eine davon hinter dem Rücken ihrer Mutter zu stibitzen. Aber wenn Vicky der Versuchung jetzt widerstehen konnte, dann, da war sich Gia sicher, würde sie das auch den Rest ihres Aufenthalts durchhalten.
»Ich glaube, ich möchte eine Orange, Mommy.«
Gia nahm sie in die Arme und wirbelte sie herum. »Ich bin so stolz auf dich, Vicky! Das war eine sehr erwachsene Entscheidung.«
»Na ja, am liebsten hätte ich eine mit Schokolade überzogene Orange.«
Lachend nahm sie Vicky an die Hand und ging mit ihr in die Küche. Sie war stolz auf ihre Tochter und auf sich als Mutter.
3
Jack hatte den Lincoln-Tunnel fast für sich allein. Er überquerte den Streifen, der die Grenze zwischen New York und New Jersey markierte, und erinnerte sich daran, wie er mit seinem Bruder und seiner Schwester immer in Jubel ausgebrochen war, wenn sie diese Linie überfahren hatten, nachdem sie mit ihren Eltern einen Tag in der Stadt verbracht hatten. Damals war es immer etwas Besonderes gewesen, ins gute alte New Jersey zurückzukehren. Diese Tage waren vorbei, so wie die Mautposten auf beiden Seiten. Heutzutage bezahlte man die doppelte Maut, um nach Manhattan hineinzukommen, dafür durfte man es umsonst wieder verlassen. Und er jubelte auch nicht mehr, wenn er die Linie überfuhr.
Gemütlich fuhr er aus dem Tunnel heraus und blinzelte im plötzlichen Schein der Morgensonne. Der Highway beschrieb eine fast vollständige Schleife durch Union City hindurch und dann durch das Weideland zum New Jersey Highway. Jack stellte den Tempomat auf 80 Stundenkilometer ein und fuhr auf die rechte Fahrspur. Er war zwar etwas spät, aber er wollte auf keinen Fall von einem Verkehrspolizisten angehalten werden.
Das olfaktorische Abenteuer begann, als der Highway sich durch die sumpfigen Niederungen dahinzog, vorbei an Port Newark und all den dort angesiedelten Raffinerien und Chemiefabriken. Rauch stieg aus Schornsteinen auf und über zehn Stockwerke hohen Entlüftungstürmen wurde das überschüssige Gas
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