Handyman Jack 01 - Die Gruft
schlimmer wurde, je mehr die Luft von dem fauligen Gestank des Monsters verpestet wurde. Aber der Geruch kam gar nicht von diesem Monster. Er kam von der anderen Seite der offenen Metalltür, auf die sie zusteuerten. Vicky begann zu schreien und sich zu wehren, als sie darauf zukamen, denn dahinter hörte sie ein Scharren und Rascheln und Grunzen aus der Dunkelheit. Das Monster schien gar nicht zu bemerken, dass sie sich wehrte. Es trat durch die Öffnung und der Gestank überwältigte sie.
Die Tür fiel hinter ihnen zu und wurde verriegelt. Es musste jemand dahinter gestanden haben, als sie an ihr vorbeikamen. Und dann waren da all diese Monster um sie herum, große dunkle Gestalten, die sich an sie herandrängten, die nach ihr griffen, ihre Zähne bleckten und sie anzischten. Vickys Schreie verebbten. Sie blieben ihr in der Kehle stecken, als die Panik ihr die Stimme raubte. Sie würden sie fressen – das spürte sie!
Aber das Monster, dass sie hergebracht hatte, ließ die anderen nicht an sie heran. Es schnappte und hieb mit den Krallen nach ihnen, bis sie schließlich zurückwichen, aber bis dahin war ihr Nachthemd schon zerrissen und sie hatte an mehreren Stellen Kratzer. Sie wurde einen schmalen Gang hinuntergetragen und dann in einem kleinen unmöblierten Raum abgesetzt. Die Tür wurde zugesperrt und sie blieb allein in der Dunkelheit zurück. Sie hockte sich zitternd in die hinterste Ecke.
»Ich will nach Hause«, jammerte sie vor sich hin.
Sie spürte eine Bewegung vor der Tür und die Monster, die da waren, schienen wegzugehen. Wenigstens hörte sie sie nicht mehr kämpfen und zischen und an der Tür kratzen. Nach einer Weile hörte sie ein anderes Geräusch, so wie ein Lied, aber sie konnte die Worte nicht verstehen. Und dann regte sich wieder etwas draußen auf dem Korridor.
Die Tür öffnete sich. Vicky wimmerte und versuchte sich noch enger an die unnachgiebigen Stahlwände ihrer Ecke zu drücken. Sie hörte ein Klicken und plötzlich war es hell im Raum. Das Licht strahlte von der Decke und blendete sie. Sie hatte noch nicht einmal nach einem Lichtschalter gesucht. Als ihre Augen sich an das Licht gewöhnten, nahm sie eine Gestalt im Türrahmen wahr. Kein Monster – sie war kleiner und schmaler als die Monster. Dann sah sie genauer hin.
Es war ein Mann! Er hatte einen Bart und war komisch gekleidet – und sie bemerkte, dass er nur einen Arm hatte –, aber er war ein Mensch und kein Monster. Und er lächelte!
Vicky weinte vor Freude, sprang auf und rannte zu ihm hin.
Sie war gerettet!
29
Das Kind rannte auf ihn zu und griff mit seinen kleinen Händen nach seinem Handgelenk. Sie sah ihm in die Augen. »Sie werden mich retten, nicht wahr, Mister? Wir müssen hier weg! Hier ist alles voller Monster!«
Kusum verabscheute sich selbst, als er auf sie hinuntersah.
Dieses Kind, diese kleine Unschuld mit ihrem salzig-nassen, strähnigen Haar und dem zerfetzten Nachthemd, den großen blauen Augen und dem eifrigen, hoffnungsvollen Gesicht, das zu ihm aufsah – wie konnte er es an die Rakoshi verfüttern?
Es war zu viel verlangt.
Muss sie wirklich auch sterben, meine Göttin?
Es erfolgte keine Antwort, denn es war keine nötig. Kusum kannte die Antwort – sie war in seine Seele eingebrannt. Der Schwur blieb unerfüllt, solange noch jemand aus dem Geschlecht der Westphalen am Leben war. Sobald das Kind tot war, war er der Reinigung seines Karmas einen Schritt näher gekommen.
Aber sie ist nur ein Kind!
Vielleicht sollte er noch warten. Die Mutter war noch nicht zurück und es war wichtig, dass sie an dem Zeremonie teilnahm. Ihr Ausbleiben beunruhigte ihn. Es konnte nur einen Grund dafür geben: Sie hatte Jack nicht sofort gefunden. Kusum konnte warten, bis sie …
Nein – er hatte schon mehr als eine Stunde gezögert. Die Rakoshi waren versammelt und warteten. Die Zeremonie musste beginnen.
Nur ein Kind!
Er ließ die Stimme in seinem Innern verstummen und richtete sich auf. Dann lächelte er das kleine Mädchen erneut an.
»Komm mit mir«, sagte er, nahm sie auf den Arm und trug sie hinaus in den Korridor.
Er würde dafür sorgen, dass sie schnell und schmerzlos starb. Wenigstens das konnte er tun.
30
Jack ließ sein Schlauchboot gegen die Bordwand treiben, während er die einzelnen Frequenzen mit der Universalfernbedienung durchging. Schließlich hörte er ein Klicken und ein Summen von oben. Die Gangway setzt sich in Bewegung und senkte sich zu ihm herunter. Jack
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