Hanibal
ertrank und die Rede menschlich wurde.
»Iberien schwankt nicht, oder?« sagte Sosylos lange nach Mitternacht. Dann rülpste er und lächelte Tsuniro an; er schielte mit verschwimmenden Augen eher um sie herum als in ihr Gesicht. »Ich hab genug vom Meer. ThalassaThalassa, bäh.«
»O Tiggo«, sagte Mastanabal. »Diese papyroslutschende Sandratte soll die barkidischen Löwen lehren? Ei oh.« Er zerrte an seinem grauen Bart und schüttelte grinsend den Kopf. »Sie werden ihn ins Wasser werfen.«
»Er hat ein bißchen Pech gehabt«, sagte Antigonos. »Man darf es ihm nicht übelnehmen.«
»Pech?« Sosylos beugte sich vor und reckte den kreisenden Zeigefinger. »Pech, was? Deine Verwandtschaft in Korinthos hat mich über Land geschickt. Vor Mykene hat ein Pferd mich abgeworfen, gegen einen Baum. In Argos bin ich von Betrunkenen verprügelt worden. Zwischen Argos und Megalopolis sind zwei Karren unter mir zusammengebrochen. In Sparta hat meine Sippe mich beschimpft und beinahe ausgestoßen, weil ich zu einem Punier reisen wollte. In Gytheion war ich so betrunken, daß ich beim Besteigen des Schiffs vom Steg ins dreckige Hafenwasser gefallen bin. Brrr. Dann war ich sehr lange schrecklich seekrank, und im kyrenischen Hafen Apollonia gab es nur ein Schiff, das über das furchtbare Meer nach Melite wollte. Auch so eins mit diesem roten Glotzauge auf dem Segel.« Er deutete ins Zentrum des Nachthimmels. »Statt nach Karchedon hat man mich von Melite auf diese öde Insel Lopadusa gebracht, wo ich den Schlickwürmern und Maulwürfen die unsterblichen Verse von Aischylos und Homeros vortragen durfte. Dann weiter nach Hadrymes, mitten durch einen entsetzlichen Sturm. Und jetzt hocke ich hier mit einem graubärtigen punischen Seeräuber, einer schwarzen Göttin, die ich nicht anbeten darf, weil sie nur auf die Einflüsterungen eines schäbigen Händlers hört, der Metöke in Karchedon ist, zwei unehrerbietigen Knaben, die mein Wissen verlachen, und einem kleinen schwarzen Daimon. Ah. Und du nennst es Pech! Was, o Herr der Bank mit dem schlüpfrigen Symbol, würdest du dann als grauenhafte Katastrophe ansehen?«
Antigonos lachte. »Zwei Tage in Gesellschaft eines nüchternen Sosylos von Sparta ohne die Möglichkeit, seinen Vorträgen zu entrinnen.«
Sosylos stand mühevoll auf und stützte sich auf die Bordwand. »Zwei Tage? Herr der Münzen, du weißt nicht, was du sagst. Bisher habe ich dich mit Platon verschont, diesem geschwätzigen Verfasser mißglückter Satiren, wie Gorgias sagte, als er den nach ihm benannten Dialog gelesen hatte. Meinst du, du könntest Platon auch nur zwei Stunden ertragen? Ich nicht!«
Es war eine klare, warme, windstille Nacht; das Schiff lag in einer kleinen Bucht östlich von Tabraq. Trotzdem schien es im Sturm zu schlingern und zu stampfen, wenn man die Bewegungen betrachtete, mit denen Sosylos sich vom Achterdeck zum Mast begab, unter dem er auf seinen Decken zusammenbrach. Schon bei den drei oder vier letzten Schritten hatte er aufrecht geschnarcht. Memnon und Bomilkar schliefen lautlos.
Mastanabal ließ sich von seinem Schemel einfach auf die Planken gleiten und wickelte sich in die Decke, die unter dem Griff des Steuerruders lag.
»Eine schöne Nacht«, murmelte Tsuniro, als Antigonos den Vorhang der Heckkammer zuzog. Aristons regelmäßige Atemzüge drangen durch die dünne Verschalung aus dem kleineren Teil des Raums. »Es fehlt nur die Vollendung.« Sie schob Antigonos’ Chiton hoch und zupfte an seinem Schurz.
»Zuviel Wein, Fürstin der Nacht«, sagte Antigonos leise. Er legte die Arme um ihren Hals.
Sie biß in sein Ohrläppchen und kicherte. »Mal sehen.«
Die Säulen des Herakles oder Melqart waren wie immer beeindruckend; vor allem für Sosylos und Tsuniro, die sie noch nie gesehen hatten. Memnon und Bomilkar fanden, Felsen seien Felsen, und hängten sich über die Bordwand, um Delphine zu beobachten.
Die alte punische Tochterstadt Sepqy mußte angelaufen werden. Antigonos mochte den Inselhafen nicht, der bis auf einen alten Tempel und ein paar Tavernen nichts zu bieten hatte. Aber hier und auf der Nordseite der Meerenge lagen die Penteren, die die Wasserstraße hüteten, und wer sie durchfahren wollte, mußte sich von einem der punischen Kommandanten prüfen lassen.
Die Überfahrt warf Sosylos wieder um zahllose Tage unbeschwerter Seefahrt zurück. Die Winde und Strömungen zwischen Meer und Okeanos ließen das Schiff tanzen, und der Spartaner verfärbte sich.
Kalpe,
Weitere Kostenlose Bücher