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Hannah, Mari

Hannah, Mari

Titel: Hannah, Mari Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sein Zorn komme uber uns
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vielleicht Künstlerin geworden.
    Ein anderes Leben? Wenn das nur möglich wäre …
    Jo nahm eine geliebte Fotografie vom Kaminsims, sie sehnte sich nach den Stimmen ihrer Söhne. Mit einem Blick auf die Uhr verbannte sie den Gedanken an sie und stellte das Foto zurück. Statt nach dem Telefon, griff sie nach dem Nächstbesten. Es war nicht das erste Mal, dass sie Trost in einer Flasche suchte; sie bezweifelte, dass es das letzte Mal sein würde. Sie goss sich einen Whisky ein, stürzte ihn in einem Zug hinunter und dachte an die jungen Frauen im Park und ihr Angebot, die Polizei zu verständigen. Das Letzte, was sie jetzt brauchen konnte, waren Polizisten, die ihre Nasen überall hineinsteckten.
    Letztes Mal hat’s auch so gut wie nichts genützt.

3
    Die Sonne stand tief am Himmel, der morgendliche Berufsverkehr staute sich in beiden Richtungen auf der viel befahrenen Straße unter ihr. Tief in Gedanken schaute Kate Daniels durch das ungeputzte Fenster. Es war wieder eine von diesen Nächten gewesen. Sie hatte das Gefühl, dass der Tag noch schlimmer werden würde, viel schlimmer.
    Auf der Fahrt vom Tatort zurück hatte Gormley ihr Gelegenheit zum Nachdenken gelassen. Er hatte keine Fragen gestellt, auch wenn sie vermutete, dass ihm eine ganze Menge durch den Kopf ging. Als sie in der Einsatzzentrale ankamen, war Daniels fest entschlossen gewesen, sich für befangen zu erklären und den Fall abzugeben. Dann, gegen vier Uhr morgens, hatte Superintendent Bright sie angerufen, und damit war die Sache erledigt.
    »Du bekommst die Leitung in diesem Fall, Kate. Es gibt keinen DCI in der Truppe, der das mehr verdient hätte als du. Ich weiß, dass du deine Sache gut machen wirst.«
    Seine Worte und sein Lob wären Musik in ihren Ohren gewesen, hätte es da nicht noch eine Kleinigkeit gegeben: Daniels kannte das Opfer, und das verstieß gegen die Regeln. Nicht, dass sie zu feige gewesen wäre, Bright die Wahrheit zu sagen, sie wollte jemanden schützen, der noch eine Rechnung mit Stephens offen hatte. Die Frage war nur: War die Sache schwerwiegend genug, um einen vernünftigen Menschen zum Äußersten zu treiben? Falls ihr Zögern Bright enttäuschte, so ließ er es sich nicht anmerken. Er beendete das Gespräch abrupt, hatte jetzt wesentlich wichtigere Dinge zu tun. Daniels überlegte, ob er sich vielleicht darauf einlassen würde, die Fälle zu tauschen. Sie rief unverzüglich Brooks in der Zentrale an, um Hintergrundinformationen einzuholen. Was er ihr erzählte, bereitete ihr Übelkeit.
    In den frühen Morgenstunden war ein vermisster Junge erwürgt aufgefunden worden, man hatte ihn wie ein Stück Abfall in einen städtischen Müllcontainer geworfen. Bright hatte geschworen, die Verantwortlichen dafür aufzuspüren. Er würde sich auf keinerlei Tausch einlassen. Dabei ging es nicht nur um Kontinuität, sondern es war auch etwas Persönliches. Jeder Detective nahm es persönlich, wenn Kinder betroffen waren. Bright würde den Bastard selbst festnageln wollen – und recht so.
    Sie hatte nur zwei Möglichkeiten: ihrem Chef reinen Wein einzuschenken oder eine außergewöhnliche Karriere aufs Spiel zu setzen. Eine überaus schwierige Entscheidung. Sie hatte stets peinlich genau darauf geachtet, ihr privates und ihr berufliches Leben voneinander getrennt zu halten, und große Anstrengungen unternommen, um ihre ehrgeizigen Ziele zu erreichen. Jetzt stand sie kurz davor, auf das zu stoßen, was Gormley den »Vermassel-Faktor« nennen würde. Warum ging ausgerechnet jetzt, nachdem alles so gut für sie gelaufen war, alles so schrecklich schief?
    Unten auf der Straße eilten Menschen hin und her, ohne zu bemerken, dass sie beobachtet wurden. An einer Bushaltestelle reihten sich Fremde in eine Schlange ein, die Hände in den Taschen. Ein paar Frauen stellten sich in einem Türeingang in der Nähe unter. Im nächsten streckte ein Bettler einer Passantin eine Schüssel entgegen. Sie warf etwas Kleingeld hinein und ging weiter. Dem jungen Mann vor ihr war sein Cap in hohem Bogen davongeflogen. Es kam erst mitten auf einer befahrenen Kreuzung wieder zu Boden. Er rannte auf die Straße, riskierte sein Leben, wobei er geschickt einem vorbeifahrenden Bus auswich. An dessen Seitenfläche stand eine politische Werbung: SIE HABEN DIE WAHL.
    Daniels zog an der Schnur der Jalousie, so dass die Lamellen das grelle Sonnenlicht zurückwarfen. Sie wandte sich vom Fenster ab, hob ihre Tasche vom Boden auf und legte sie auf einen abseits

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