Hannas Wahrheit (German Edition)
in Haft zu nehmen, außerdem hatte er die Beschützerinstinkte von dem älteren Reporter gegenüber der Fotografin wahrgenommen. Major Wahlstrom wusste, dass Winter bereits Kontakt mit den Auftraggebern für die Reportage aufgenommen hatte. Er war sich sicher, dass ein Festhalten von Hanna Rosenbaum wesentlich mehr Staub aufwirbeln würde, als wenn sie sie einfach gehen lassen würden. Aber das war nicht seine Entscheidung.
Sein Oberst betrachtete ihn aus schmalen Augen, als würde er tatsächlich ernsthaft über seine Worte nachdenken. Ein kurzes Lächeln huschte über das Gesicht seines Vorgesetzten, bevor seine Miene wieder einen ernsten Gesichtsausdruck annahm.
„Nehmen Sie unseren Job niemals auf die leichte Schulter, Major Wahlstrom.“
Der Major nahm Haltung an. „Jawohl, Oberst Hartmann.“
„Ich möchte nicht, dass morgen ein Bericht in der Zeitung steht, dass wir die Bilder einer Fotoreporterin beschlagnahmt haben. Wir können keine Aufmerksamkeit in der deutschen Presse gebrauchen. Oder gar ein richterliches Verfahren wegen der Missachtung von Urheberrechten.“
„Wir haben die Freigabe der Staatsanwaltschaft ...“
„Ja, haben wir, aber es bleibt Ihre Verhörmethode. Sie entsprach nicht gerade den polizeilichen Regeln.“
„Nein, wir sind auch nicht bei der Polizei“, stellte er ruhig fest. „Ich hätte nicht handgreiflich werden müssen, wenn Frau Rosenbaum kooperativ gewesen wäre. Sie hat genügend Möglichkeiten erhalten, mir die Fotos freiwillig auszuhändigen.“
„Und Sie denken, das sieht sie genauso?“
Verärgerte presste Wahlstrom die Lippen aufeinander.
„Nun ja, am Ende waren Sie verletzt, und nicht Frau Rosenbaum.“ Ein Anflug von Humor klang durch die Worte hindurch.
„Ich denke, wir können ihr etwas geben, damit sie den Vorfall auf sich beruhen lässt.“ Wahlstrom war der Gedanke gekommen, als er die Bilder gesehen hatte. Sein Vorgesetzter hob die Augenbrauen.
„Sie ist eine außergewöhnliche Fotografin, und wie viel ihr an ihren Fotos liegt, haben wir ja mitbekommen. Wenn wir ihr alles zurückgegeben, bis auf die Fotos von dem Überfall?“
Sein Vorgesetzter runzelte die Stirn. Ob sich Hanna Rosenbaum damit zufrieden geben würde?
„Also gut, wir versuchen es. Stellen Sie sicher, dass Hanna Rosenbaum die Botschaft versteht, und lassen Sie sich von Gerlach eine Rückversicherung einbauen.“
Wahlstrom zögerte. „Ich wollte Leutnant Brunner mit der Aufgabe betreuen.“
Sein Vorgesetzter schüttelte den Kopf. „Nein, Major Wahlstrom, das ist Ihre Aufgabe.“
„Es wäre wichtiger, dass ich mir die Fotos genauer anschaue und die Truppenbewegungen auf den Satellitenbildern“, versuchte Wahlstrom ein erneutes Zusammentreffen mit Hanna Rosenbaum zu vermeiden. Er wusste aber auch, dass Oberst Hartmann es ganz und gar nicht schätzte, wenn man ihm widersprach.
„Gibt es ein Problem, von dem ich nichts weiß, Major Wahlstrom?“
„Nein, Oberst Hartmann.“
„Gut, dann führen Sie meinen Befehl aus.“
Wahlstrom wandte sich ein zweites Mal zur Tür.
„Und lassen Sie Ihre Finger von der Frau, Major Wahlstrom. Das ist ein Befehl.“
„Jawohl, Oberst Hartmann.“
Hanna war froh, alleine in ihrem Zimmer zu sein. Leutnant Brunner hatte sich als sehr anhänglich erwiesen. Sie packte ihre Kamera auf den Tisch. Harry hatte bereits ihr zurückgelassenes Gepäck und ihren Laptop aus dem Aufbewahrungsraum des Hotels holen lassen. Alles stand neben ihrem Bett, daneben lag eine Tafel Schokolade. Der gute Harry, fürsorglich wie ein Vater. Tatsächlich war sein Sohn nur zwei Jahre älter als sie und seine Tochter zwei Jahre jünger. Sie hatte die beiden kennengelernt, als Harry sie bat, ein Wochenende bei ihnen zu verbringen.
Sie war die letzten Jahre viel mit Harald Winter unterwegs gewesen. Hanna mochte Winter, weil er sie so nahm, wie sie war. Er versuchte sie nicht in Gespräche zu verwickeln oder stocherte in ihrem privaten Leben herum. Wenn sie unterwegs waren, ging es immer nur um ihre Projekte. Harald Winter war darüber hinaus ein Quell des Wissens, egal, um welches Thema es ging. Es war ihm unangenehm gewesen, als er sie nach ihrem letzten Auftrag gebeten hatte, sie zu besuchen. Verlegen hatte er erklärt, dass seine Frau zur Eifersucht neigte und sich in den Kopf gesetzt hatte, dass sie beide ein Verhältnis hätten. Widerwillig hatte Hanna sich darauf eingelassen, die Familie Winter ein Wochenende lang zu besuchen. Es war nicht ihre Art, in das
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