Hanni und Nanni. Die besten Freundinnen (18)
unglücklich, denn er verprügelte sie jede Woche. Nach seinem frühen Tod kehrte sie auf ihre Heimatinsel zurück und legte sich, jung und hübsch, wie sie war, zum Sterben nieder. Tatsächlich starb sie im Verlauf einer Woche. Das ganze Dorf trauerte um sie. Auf ihrem Grab blühen seitdem - immerhin seit hundert Jahren - weiße Lilien, die niemand gepflanzt hatte.
„Das finde ich gut“, kicherte Nanni. „Da sollten wir mal hinfahren und ...“
Plötzlich verstummte sie und bekam riesengroße Augen.
Die gatitos hatten geschlafen. Gerade waren sie munter geworden. Sie spielten Fußball mit dem Kronkorken einer Colaflasche. Dann mit einem Stück Silberfolie vom Grillen, das nach Lamm oder Huhn duftete. Felicia versuchte an Frau Martins Hosenbein hochzuklettern und schaffte es beinahe. Nun spielte Felix Schatzgräber in der Küche. Hinter dem Abfalleimer gab es die interessantesten Dinge. Gerade hatte er etwas Neues gefunden. Ein kleines, glitzerndes Ding. Er rollte es vor sich her, knabberte daran, aber es schien nicht gut zu schmecken, denn er ließ es fallen, dann warf er es mit seinen weißen Pfötchen in die Luft und fing es wieder auf.
„Der Ring“, schrie Nanni, „der Ring!“
Sie sprang so hastig von ihrem Stuhl auf, dass er umkippte, schnappte sich das Kätzchen und nahm ihm den Ring ab.
Er war es tatsächlich!
Sie gab ihn Frau Martin. Er war nur ein bisschen schmutzig.
„Ja“, sagte sie. „Mein Ring.“
„Er ist da!“, brüllte Carlotta und stampfte vor Begeisterung mit den Füßen auf den Steinboden. „Er ist da, und es gibt keinen Dieb! Die gatitos haben ihn gestohlen und gatitos sind keine Diebe, auch wenn sie klauen!“
Alle redeten und lachten durcheinander, ein paar umarmten sich. Ilka lächelte nur still vor sich hin und Hanni drückte ihr kurz die Hand.
Nachdem sich die erste Aufregung gelegt hatte, bat Frau Martin um Ruhe.
„Ich bin so froh, Kinder“, sagte sie. „Nicht nur, weil es um den Ring, den meine Mutter mir geschenkt hat, schade gewesen wäre, sondern vor allem, weil ich jetzt weiß, dass keine von euch gestohlen hat. Ich war so enttäuscht und traurig und verbittert. Und nun möchte ich mich bei euch für den unberechtigten Verdacht entschuldigen. Es tut mir leid. Aber ihr wisst, dass ich das denken musste, was ich gedacht habe.“
Alle waren genauso erleichtert wie Frau Martin. Es regnete immer noch. Trotzdem war es ein herrlicher Abend und keine der Lehrerinnen sprach davon, dass es Zeit wäre, in die Zelte zu kriechen. Die Mädchen alberten herum und sangen wieder einmal ihr gesamtes Repertoire durch, Frau Martin trillerte wie eine Lerche und niemand wollte Mamsells letzte Geschichte hören, in der sicher wieder jemand ertrinken oder sonst etwas Schauriges passieren würde.
„Was nützen hundertjährige weiße Lilien auf einem Grab, wenn die, die drinliegt, nichts mehr davon hat?“, lachte Jenny.
Plötzlich sagte Marianne: „Ich würde gerne wissen, wie die gatitos an den Ring gekommen sind. Er lag auf dem Tisch. Und da können sie nicht hinauf, dafür sind sie einfach noch zu klein.“
Sie rätselten herum, doch sie fanden keine Erklärung. Manchmal stand natürlich ein Stuhl neben dem Tischchen. Aber auch der war zu hoch.
Hanni starrte die Kätzchen an, die jetzt auf dem Boden Fangen spielten. Sie waren so hässlich und gleichzeitig so süß mit ihren großen Fledermausohren, den dünnen Babybeinen und den riesigen Pfoten. Auf einmal fiel Hanni ein, wie Felix vorhin an Frau Martins Hosenbein hochgeklettert war.
Und in diesem Moment wusste sie, wie sich - vielleicht - alles abgespielt hatte.
„Ich kann‘s erklären“, rief sie, „wie die Kätzchen - oder eines von ihnen - den Ring geklaut haben! Meistens steht ein Stuhl neben dem Tisch. Neulich stand mal der Hocker dort. Er ist höher. Es könnte an diesem Abend gewesen sein. Die gehäkelte Decke, die wir alle so scheußlich finden - sie lag auf dem Hocker und hing bis auf den Boden. Jetzt erinnere ich mich deutlich daran.“
„Ja, klar“, schrie Bobby. „Ich mich auch!“
„An der Decke konnten die gatitos hochkrabbeln. Vom Hocker auf den Tisch war es dann nicht mehr weit. Felix und Felicia haben den Ring gefunden, ihn hinuntergeworfen, damit gespielt und ihn dann hinter dem Abfalleimer verbuddelt. Wir haben zwar überall gründlich gesucht, aber dort nicht.“
Die Kätzchen kullerten fröhlich miteinander, aufeinander, übereinander.
Mamsell wandte kein Auge von ihnen.
„Diese
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