Hansetochter
Onkel und Tante haben zu Geld gemacht, was sie konnten – das Silberzeug zuerst. Immerhin habe ich in der Fleischhauerstraße Stiefmutters Psalter wiedergefunden. Vaters Wandteppich mit dem Einhorn habe ich bei einem Altkleiderhöker entdeckt. Und nach dem Brand hat Adrian mit Helfern die Brandstelle abgesucht und alles, was die Flammen nicht zerstört haben, gerettet«, berichtete sie.
Simon setzte sich, öffnete den Hudevat. »Ich freue mich, dass Margarete bei euch ist. Wollte sie nicht ins Beginenhaus?«, fragte er unvermittelt.
Ein Lächeln zog über Henrikes Gesicht. »Ich habe ihr angeboten, ihr das Geld zu geben, aber sie wollte es nicht. Sie will noch nicht aufs Altenteil, meinte sie. Margarete und Cord verstehen sich gut, und ich glaube, sie ist froh, bei uns zu sein.«
Simon zog das Abbild des heiligen Christophorus hervor, das ihrem Vater gehört hatte. Stockend berichtete er von seinen Fieberträumen, in denen der Heilige aufgetaucht war. »Wie ich hier wohl schlafen werde, ohne die gleichmäßige Bewegung des Schiffes? Jetzt fängt der Alltag wieder an, die Zeit des Reisens ist vorbei ...«, sinnierte er schließlich.
Henrike lächelte ihn aufmunternd an. »Nein, Simon. Es ist umgekehrt. Der Alltag ist bald vorbei, die Zeit des Reisens fängt wieder an.«
»Wie meinst du das?«
Sie verriet ihm, dass Adrian seine ersten Reisen mit der Cruceborch von Lübeck aus plante. Er wollte verschiedene Kaufleute im Osten aufsuchen, mit denen ihr Vater gehandelt hatte, und auch beim Großschäffer in Königsberg vorsprechen, um die Geschäftsbeziehungen zum Deutschen Orden auszubauen, von denen er sich so viel versprach.
Simon wurde hellhörig. »Zum Deutschen Orden?«, fragte er. »Denkst du, ich könnte ihn begleiten?«
Darüber hatte Henrike auch schon mehrfach nachgedacht.Zu gerne würde sie selbst mit Adrian reisen. Sie mochte es sich gar nicht mehr vorstellen, ohne ihn zu sein, und wusste, dass er sie genauso ungern zurückließ. Doch es half nichts, einer würde sich um ihre Angelegenheiten in Lübeck kümmern müssen, und dieser Jemand war sie. Irgendwann würde sie schon noch mitkommen, wenn nicht in diesem, dann im nächsten Jahr. Aber sie ahnte, worauf Simon hinauswollte.
»Den alten Traum vom Ritterleben? Dein erstes Abenteuer als Kaufmann hat dir offenbar gefallen. Ich könnte mir vorstellen, dass du Adrian öfters begleiten kannst. Vielleicht darfst du ja auch mal allein nach Brügge, zu Lambert.«
Simon überlegte. Von Adrians Familie hatte er bereits gehört. Er lächelte in sich hinein.
Epilog
Astas Gut bei Travemünde, Juli 1376
D er Anblick des Hofes hatte sich wieder gewandelt. Der Stall und die Anbauten waren aus frisch gehobeltem Holz. Nur noch schwarze Ränder an den Bäumen zeugten von dem Brand, der hier gewütet hatte. Das Obst, das an ihren Ästen reifte, bewies, dass sie noch voll im Saft standen. Die Hunde kamen ihnen entgegengelaufen.
Henrike sprang vom Pferd und kniete sich zu ihnen auf die Erde. Ebenso fröhlich wie wehmütig begrüßte sie die Tiere. Wie so oft musste sie an Griseus denken, ihren treuen Gefährten, der nie wieder aufgetaucht war. Da spürte sie ein zartes Ziehen an ihrem Kleid und sah sich um. Ein junger Hund, fast eine Welpe noch, nagte an ihrem Rocksaum. Er war grauweiß – genau, wie Griseus es gewesen war. Gerührt nahm sie den Hund hoch und sah ihm ins Gesicht. Er schien ein freundliches, aufgewecktes Wesen zu haben. Vielleicht könnte sie Asta überreden, ihn ihr zu schenken, hoffte sie.
Nun rannten auch die Kinder heran. Sie trugen Blumenkränze im Haar, als ob es etwas zu feiern gäbe. Auch das Haus war geschmückt. Blumengirlanden schlängelten sich um den Eingang und über den Fenstern. Was war hier los?
Henrike warf ihrem Mann einen fragenden Blick zu, aber Adrian lächelte nur. Sie sah sich in ihrer Reisegruppe um. Simon und Liv auf ihren Pferden und Margarete und Cord im Wagen lächelten verschmitzt. Wussten sie etwas, das Henrike nicht wusste? Da traten Asta und Katrine aus dem Haus. Ihre Tante machte sich von Katrine los und ging ihnen, ein Bein nachziehend, entgegen. Die Brandwunden in ihrem Gesicht und amHals stachen rot hervor. Asta verdeckte sie nicht, weil sie wusste, dass sie nichts waren, für das sie sich schämen musste. Auch sie hatten sich Blumen an ihre Gewänder gesteckt.
Henrike lief ihr entgegen und ergriff ihre Hände. »Wie ich mich freue, dich gesund und munter wiederzusehen! Und Katrine – wie habe ich
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