Happy End am Mittelmeer
behagte ihr nicht. „Ich bin Amerikanerin – und ich bin Texanerin. Und vielleicht bin ich auch Ambrierin. Aber so fühle ich mich nicht.“
Er nickte und lächelte sie voller Zuneigung an. „Deshalb bin ich mit dir hierhergefahren.“
Sie sonnte sich in dieser Zuneigung wie eine Blume im Sonnenschein. „Na gut, ich versuche zu sehen, was ich sehen soll. Ich versuche, es zu mögen.“
„Mehr verlange ich nicht.“
Sie lachte mit einem kleinen Hickser. „Denk an den Popsong der Supremes: ‚You can’t hurry love‘, Liebe braucht Zeit, du kannst sie nicht erzwingen.“
Er nickte, wusste, was sie meinte. „Sogar die Liebe zum Heimatland.“
„Genau.“
Sie legten einen Zwischenstopp ein, um ein paar gekühlte Limonaden zu kaufen, und Ayme konnte Cici das Fläschchen geben. Weil die Kleine spielen wollte, dauerte die Pause etwas länger. Es war fast Nachmittag, als sie die Küste erreichten.
Ayme fand den Anblick wenig beeindruckend. Bei genauem Hinsehen konnte sie gerade noch so einen dunklen, von einer Nebelwand umwölkten Umriss der Insel erkennen. Sie schaute zu David und hoffte, dass er ihr die Enttäuschung nicht anmerkte. Aber er schaute unablässig dorthin. Also tat sie es auch.
Während sie schauten, begannen sich die Wolken über dem nebelverhangenen Inselstaat zu lichten. Ayme ergriff Davids Hand, aber suchte nicht seinen Blick. Stattdessen blickte sie auf das Meer.
Sie betrachteten die Landschaft eine ganze Weile. Schließlich kam die Sonne durch und ließ alles in silbrigem Gold erstrahlen. Der Nebel löste sich auf, und da war es. Plötzlich war sie ganz fasziniert. Nie zuvor hatte sie so etwas Wunderschönes gesehen.
„Das ist Ambria?“, stieß sie atemlos hervor.
„Das ist Ambria“, antwortete er hörbar befriedigt. „Als Sechsjähriger war ich zum letzten Mal da, aber in meinem Herzen lebte es immer weiter.“
Kopfschüttelnd schaute sie wieder. Der Anblick war so strahlend, dass sie fast ihre Augen abschirmen musste.
„Es ist noch nicht in meinem Herzen“, sagte sie, „aber es klopft an die Tür.“
Mit leiser, bebender Stimme begann David zu erzählen. Er sprach über ihre Vorfahren aus Ambria, ihre Eltern, über verlorene Leben und aufgeschobene Träume. Sie lauschte auf jedes Wort. Sie begann zu spüren, was verloren gegangen war. Er sprach davon, wie ihre Eltern wohl dort starben, und Tränen stiegen ihr in die Augen.
Sie wollte ihm sagen, er sollte aufhören, doch er sprach weiter und weiter, und sie hörte zu, und bald flossen ihre Tränen. Er nahm sie in seine Arme, aber redete weiter. Schließlich kam er auf den Tod ihrer Schwester und den ihrer Adoptiveltern zu sprechen.
Sie fragte nicht einmal nach, woher er das wusste. Er wusste anscheinend alles. Er war ihr ein und alles. Sie vertraute ihm und liebte ihn. Und schließlich brach der Damm in ihr, und sie konnte trauern.
Sie hatte viel zu betrauern. Ihre leiblichen Eltern, Sam, ihre Eltern in Texas. Und sie hatte es lange nicht vermocht. Aber endlich, mit David an ihrer Seite, konnte sie es zulassen. Er hielt sie fest, wiegte sie und flüsterte ihr Trost zu. Sie schmiegte sich an ihn. Sie brauchte ihn.
Und als ihre Tränenflut versiegt war, erzählte sie ihm von dem Unfall – wie ihre Eltern Sam gefunden hatten und wie Sam davonfuhr und ihre Eltern ihr folgten. In einer scharfen Kurve war Sam dann von der Fahrbahn abgekommen und ins Schleudern geraten. Ihr Vater konnte nicht mehr rechtzeitig bremsen und fuhr frontal auf. Es war ein Unfall, bei dem alle drei umkamen. Im ersten Augenblick hatte sie gewünscht, mit ihnen gestorben zu sein. Ihr Leben war vorbei.
Jetzt sah sie die Dinge anders, aber immer noch gab es diese dunkle Wolke, die sie vielleicht nie verließ. Irgendwie hatte sie den Eindruck, als ob ihre Gefühle in den letzten Tagen in zu viele verschiedene Richtungen gezerrt worden wären. Das hielt sie nicht mehr aus. Der einzige Ort, an den sie sich jetzt wünschte, war ein schönes, warmes Bad und dazu leuchtende Kerzen.
Noch eine Weile saß Ayme im Auto einfach nur still, schließlich gab sie Cici einen Kuss, und sie fuhren weiter. David war entschlossen, ein hübsches Straßencafé für sie zu finden, und fand es auch im nächsten Städtchen. Es war so idyllisch, wie sie es sich nicht schöner hätte vorstellen können. Sie setzten sich an einen der Tische, tranken ein Glas Wein und aßen köstliches Gebäck. Die Liebeslieder kamen aus dem Radio, aber das reichte völlig. Es war
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