Happy End fuer Harriet
Worten, eine gute Figur im Sattel machte.
Als ob er Harriets forschenden Blick gespürt hätte, wandte sich Gervase zu ihr um, und sie erschrak. Vielleicht lag es nur an den Lichtverhältnissen, doch in diesem Moment erkannte sie eine ungeheure Ähnlichkeit zwischen ihm und dem alten Duke.
Während die Gesellschaft durch das Dickicht ritt, überschlugen sich Harriets Gedanken. Wer war Gervase Calcott? Sie glaubte die Antwort zu kennen, wenn sie sie sich auch nicht eingestehen mochte. Ihr fielen wieder die Andeutungen ein, die Lord Ashby über die Familie gemacht hatte. Und auch sein Hinweis darauf, dass Calcott niemals um Lavinia würde anhalten können, kam ihr erneut in den Sinn.
Calcott musste der Sohn des Duke aus einer außerehelichen Liaison sein. Es war nicht ungewöhnlich, dass Adlige sich mit anderen, meist unter ihrem Stand stehenden Frauen vergnügten und Bastarde zeugten. Harriet kam zu dem Schluss, dass diese Sache sie nichts anging und sie ihrer Schwester nichts von ihrer Vermutung erzählen würde.
“Sie sind sehr still heute, Miss Harriet.” Calcott hatte sein Pferd an ihre Seite gelenkt. “Ich hoffe doch, dass Sie keine Sorgen haben.”
“Nein, ganz im Gegenteil.” Sie bedachte ihn mit einem strahlenden Lächeln. “Aber die Hitze ist unerträglich, finden Sie nicht? Und hier unter den Bäumen fühlt man sich so eingeschlossen.”
“Dort drüben gibt es wieder eine freie Rasenstrecke, wo Sie Ihre Stute galoppieren lassen können. Ich werde Ihre Reitkünste mit neidischer Bewunderung beobachten.”
“Das ist sehr freundlich von Ihnen.” Harriet beschleunigte das Tempo, um zu Lavinia aufzuschließen. Ihr anfängliches Mitgefühl für sie schlug in Ärger um. Die Familie hätte aufrichtig mit dem jungen Mädchen sein sollen, anstatt tatenlos zuzusehen, wie es sich in eine aussichtslose Liebe hineinsteigerte.
Es war die Aufgabe des Duke, seine Tochter über die Umstände aufzuklären. Doch da er seine Gemächer nicht verlassen konnte, hatte er wahrscheinlich keine Ahnung davon, was sich zwischen dem Anwalt und Lavinia abspielte.
Offenbar war bisher niemandem die Ähnlichkeit zwischen Gervase und dem Duke aufgefallen. Piers hegte keinerlei Verdacht, und Lavinia lebte sowieso in einer Traumwelt mit Calcott als ihrem Märchenprinzen, nach dem sie sich in ihrer Fantasie gesehnt hatte.
Es würde ein schmerzliches Erwachen für sie geben, doch Harriet vertraute darauf, dass sich Lavinia davon erholen würde. Elizabeth hatte ihrer jungen Schwägerin eine Saison in London versprochen, sobald George aus dem Krieg heimkehrte. Dann würde sie so viele standesgemäße Herren kennenlernen, dass sie ihre unglückliche erste Liebe vergaß.
Lavinia verehrte Calcott wahrscheinlich wie einen Helden. Harriet konnte an ihm allerdings nichts Heldenhaftes erkennen. Sie stellte sich etwas anderes darunter vor, nämlich einen Mann, der stolz und aufrecht durchs Leben schritt, dessen Augen, vorzugsweise dunkelblau, manchmal glitzerten und mit dem sie sich anregende Wortgefechte liefern konnte.
Unwillig gestand sie sich ein, dass sie in Gedanken ein recht genaues Bild von Lord Ashby gezeichnet hatte. Doch das durfte nicht sein! Sie war fest entschlossen, ihn gründlich herunterzumachen, sollte sich jemals die Gelegenheit dazu ergeben.
Erleichtert registrierte Harriet, dass der Weg durch das Dickicht zu Ende war. Vor ihr erstreckte sich eine flache, weite Rasenfläche, und mit einem Ausruf der Begeisterung trieb sie ihre Stute in einen wilden Galopp. Während sie über das Gelände preschte, fielen die ersten dicken Regentropfen.
Innerhalb kürzester Zeit regnete es in Strömen, und Blitze zuckten über den Himmel. Harriets Lederhandschuhe waren bereits dunkel von Nässe, als ein gewaltiger Donnerschlag ertönte. Die Stute blieb vor Schreck stehen, bäumte sich auf und begann zu zittern. Harriet sprach beruhigend auf das Tier ein und hielt nach den anderen Reitern Ausschau.
Lavinia und Calcott hatten bereits den Weg nach Hause eingeschlagen, doch Piers ritt in halsbrecherischem Tempo zu Harriet und griff nach ihren Zügeln. “Schnell. Ich zeige dir die beste Strecke. Wir dürfen unter gar keinen Umständen zwischen den Bäumen reiten.”
Das Unwetter war inzwischen mit aller Kraft durchgebrochen. In dem strömenden Regen konnte Harriet kaum etwas erkennen. Sie wischte sich mit einer Hand mehrmals über das Gesicht und spähte angestrengt in die Ferne.
In einiger Entfernung konnte sie Lavinia erkennen, die
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