Happy End in Virgin River
sah sich kurz in dem Büro um und entdeckte ein Familienfoto. Eine attraktive Frau, zwei hübsche Kinder, ein Hund. Er lächelte ein wenig neidisch. „Ich habe keine Familie und wurde mit einer Behinderung vom LAPD vorzeitig in den Ruhestand geschickt.“
Der Chief hob den Blick und sah Mike ins Gesicht. „Wie ist es dazu gekommen?“
„Ich wurde angeschossen“, antwortete Mike unbefangen. „Während dieses letzten Einsatzes, hier in meinem Lebenslauf“, fügte er hinzu und wies mit dem Kopf auf die Papiere.
„Dezernat für Bandenkriminalität“, stellte Andersen fest, der aussah, als hätte er die Seite inzwischen im Kopf gespeichert. „Streife, Drogen, Banden, Raub und wieder Banden.“
„Ich hatte mal im Bandendezernat gearbeitet, und nachdem ich meine Ausbildung zum Sergeant abgeschlossen hatte, wurde ich dort – diesmal mit meinem eigenen Team – erneut eingesetzt. Die Arbeit hatte mir Spaß gemacht, das Rauschgiftdezernat weniger“, fügte Mike unnötigerweise hinzu. „Ich war immer gut im Streifendienst. Mir lag die Polizeiarbeit an der Basis.“
Endlich nahm der Chief Platz, also setzte sich auch Mike. In dem Moment hob der Chief kurz die Augen, vielleicht ein wenig überrascht. „Marine Corps?“
„Ja, Sir. Vier Jahre im aktiven Dienst, zehn Jahre Reserve.“ Dann lachte er. „So vieles habe ich gut überstanden, und dann haut mich ein Vierzehnjähriger um.“ Er zuckte mit den Schultern. „Auf das Glück ist kein Verlass.“ Dem Lebenslauf zufolge hatte Mike, nachdem er seinen ersten Einsatz bei den Marines hinter sich gehabt hatte, mit einem GI-Stipendium das College besucht und seinen Abschluss in der Strafrechtspflege erworben, als er beim LAPD arbeitete.
Der Chief las einen Moment weiter, dann sah er wieder hoch. „Und in welcher Mission sind Sie jetzt hier?“
„Hier? In Ihrem Büro oder in Virgin River?“
„Okay, in meinem Büro.“
„Ich wollte nur mal Hallo sagen. Ich mache die Runde bei den Departments. Sollte die Botschaft lauten, keine Hilfe gewünscht, werde ich den Vertrag nicht unterschreiben. Falls die Cops in der Gegend allerdings glauben, mit einem Kerl wie mir, der in Virgin River aushilft, leben zu können, würde ich es vielleicht tun und schauen, was ich ausrichten kann.“
„Ein Kerl wie Sie?“
„Ex-Cop. Ich kenne beinahe fast so viele Ex-Cops wie Cops, und mir ist klar, dass die meisten von uns eine Menge Gepäck mit sich herumschleifen, eine Menge Geschichten. Früher hat es mich wirklich gelangweilt. Ich war diese ganzen Dramen so leid. Und jetzt stehe ich hier als einer von ihnen. Mit Drama. Mit einer riesigen Geschichte.“ Er zuckte mit den Schultern. „Ich versuche herauszufinden, wie das ankommt. Es ist einfach fair. Euch gegenüber.“
„Dieses Department ist in keiner Weise für Virgin River zuständig …“
„Es besteht immer die Möglichkeit, dass sich irgendeine Verbindung zwischen einem Problem in Virgin River und Ihrem Ort ergibt, und dann wäre mir daran gelegen, zu wissen, dass hier jemand ist, mit dem ich reden kann.“
Offensichtlich dachte der Chief einen Augenblick darüber nach, wobei er beinahe lächelte. „Und was ist mit Ihrer Behinderung?“
„Ich bin inzwischen schon wieder so nahe bei hundert Prozent, wie man nur sein kann. Hauptsächlich war es die Schulter“, erklärte er und bewegte sie ein wenig. „Es geht sehr gut. Ich kann geradeaus schießen und ziele nicht schlecht. Dann wird auch meine linke Hand von Tag zu Tag besser.“
„Aber Sie beziehen die Behindertenrente.“
„Auf jeden Fall“, sagte Mike und nickte bestätigend. „Fünfzehn Jahre lang habe ich dort eingezahlt, und es war nicht das erste Mal, dass eine Waffe in meine Richtung abgefeuert wurde. Ich habe nur meinen Job gemacht. Aber wissen Sie, ich habe verdammtes Glück gehabt. Der Kopf arbeitet, das Gehirn scheint in Ordnung zu sein. Ich will Ihnen etwas sagen: Hätte ich eine Chance gehabt, durch Reden die Schießerei zu vermeiden, hätte ich es sicherlich getan. Aber so war es nicht.“ Er wies mit einer Kopfbewegung auf die Papiere. „Wenn Sie wollen, können Sie einen Bericht dazu anfordern. Es war eine Art … Ich wurde aus dem Hinterhalt angegriffen. Das ist alles. Es ging um die Aufnahme in eine Gang, und den Sergeant umzulegen, war ein echter Coup. So … war das. Ich dachte, ich komme hier rauf und …“
„Mit einem Lebenslauf wie diesem könnten Sie auch einen richtigen Job bekommen. Es gibt viele Möglichkeiten –
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