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Happy Family

Happy Family

Titel: Happy Family Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Safier
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bei mir eingekuschelt. Ich sah dabei in ihre Augen, die aus all den unheimlichen, festsitzenden Bandagen im Gesicht hervorlugten. Die Augen sahen erschreckend alt aus. Und die Pupillen waren schwarz. Ich versuchte, mir den unglaublichen Schreck, den ich dabei bekam, nicht anmerken zu lassen.
    «Dass die Alte lacht, ist auch nur so ein Figment?», fragte Fee.
    «Ja …», antwortete ich leise.
    «Und dass die Bewohner vor lauter Angst die Vorhänge zuziehen, auch?»
    Ich blickte die Häuser hoch. Die Menschen an den Fenstern hatten sichtlich Angst. Wegen der Blitze. Wegen der Alten. Wegen uns?
    «Das ist auch ein Figment», bestätigte ich.
    «Ich steh auf Figmente», erklärte Fee. «Auch wenn das Wort etwas versaut klingt.»
    Darauf ging ich nicht ein.
    «Ich hätte das Gras gestern nicht rauchen sollen», murmelte sie in meinen Armen.
    «Du hast Gras geraucht?», fragte ich sauer. Stellte aber dann schnell fest, dass ich gerade ganz andere Probleme hatte.
    «Das war garantiert gestreckt», mutmaßte Fee. «Vielleicht mit Flüssigplastik …»
    Man streckte Hasch mit so einem Zeug? Die Welt der Teenager von heute war anscheinend viel gefährlicher, als ich es ohnehin befürchtet hatte. Aber vermutlich nicht so gefährlich wie das, was wir hier erlebten.
    «Ich bilde mir also alles ein?», fragte Fee. Sie brauchte jetzt die Versicherung im Fünf-Sekunden-Takt.
    «Ja.»
    «Also auch, dass Max sein Bein hebt und die Laterne anpinkelt?»
    « ER TUT WAS ?»
    Ich sah zu Max. Er sah aus wie ein richtiger Wolf. Und er hob an der Laterne sein Bein.
    Er hob sein Bein?!?!?
    «Wenn du das auch sehen kannst», kombinierte Fee und begann wieder zu zittern, «dann ist das hier doch kein Traum.»
    «Ich seh das nicht», log ich weiter.
    «Dann ist Papa auch nicht ungefähr zwei Meter dreißig groß und reißt gerade die Autotür heraus?»
    Ich sah zu Frank. Er war ein Riese. Ein Riese mit Quadratschädel. Er sah mehr aus wie das verdammte Monster von Frankenstein, als es Boris Karloff je getan hatte. Er hielt die herausgerissene Autotür in der Hand und starrte sie mit großen, wenig Intelligenz ausstrahlenden Augen an.
    «Das siehst du auch nicht?», fragte Fee.
    «Nein … und jetzt hör bitte endlich auf, andauernd Fragen zu stellen!» Ich konnte mich kaum noch darauf konzentrieren, sie vom Ausrasten abzuhalten, war ich doch jetzt viel zu sehr damit beschäftigt, nicht selber auszurasten.
    «Alles wird gut», flüsterte ich, löste die Umarmung und ging zu der Hexe, die sich inzwischen wieder eingekriegt hatte.
    «Was hast du mit uns gemacht?», wollte ich wissen.
    «Was ihr haben verdient.»
    «Was soll das heißen?», fragte ich.
    «Glücklich kann nur leben, wer Glück im Leben schätzt.»
    «Wenn ich mit einem Glückskeks reden möchte, würde ich mir einen kaufen», erklärte ich wütend.
    «Ich euch alle verwandelt.»
    «Verwandelt?»
    «Ich dir zeigen», bot sie an.
    «Gut, sonst ich dir auch eine schmieren», erwiderte ich.
    Sie öffnete ihren Mantel, steckte ihr Amulett in die rechte Innentasche und holte aus der linken einen schlichten, hölzernen sechseckigen Handspiegel.
    «Das einziger Spiegel auf Welt sein», erklärte sie, «in dem du dich sehen können wirst.»
    Ich blickte in das Sechseck und sah, dass mein Gesicht total blass war. Fast wie feines Pergament. Und es war ganz eben. Ich hatte keine Pickel mehr. Keine Mitesser. Selbst meine kleine Warze am Kinn war weg. Meine Augen waren dafür rot. Blutunterlaufen. Dennoch strahlte ich eine unglaubliche Vitalität aus. Ich sah toll aus. Umwerfend. Richtig, richtig heiß.
    Wenn es an diesem Spiegel lag, dass ich so unglaublich aussah, dann hätte ich gerne so einen für unser Badezimmer gehabt.
    Aber natürlich lag es nicht an dem Spiegel.
    Das wurde mir klar, als ich ein letztes kleines furchterregendes Detail in meinem Spiegelbild sah: Ich hatte tatsächlich zwei blitzend weiße Reißzähne.
    «Bin … bin ich ein Vampir?», fragte ich die Hexe verdattert.
    «Mit unglaublich lange Leitung», antwortete sie.
    Und fort war sie.

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MAX
    Wenn man so intelligent ist wie ich, erscheinen einem die anderen Menschen oft wie geistige Amöben. Auch wenn meine Eltern und meine Schwester es nicht sofort prozessiert hatten, mir war sofort klar, was geschehen war: Die Bettlerin hatte uns mit ihrem Fluch in Monster transformiert. Für immer. Was «semper» ja auf Latein bedeutete (ja, auch in dem Fach hatte ich eine Eins plus). Bettlerinnen waren, wie

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